Wer mein Jünger sein will,
nehme täglich sein Kreuz auf sich
und folge mir nach.

12. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr C



Das Evangelium (Luk 9, 18-24)

In jener Zeit als Jesus in der Einsamkeit betete und die Jünger bei ihm waren, fragte er sie: Für wen halten mich die Leute? Sie antworteten: Einige für Johannes den Täufer, andere für Elija; wieder andere sagen: Einer der alten Propheten ist auferstanden.
Da sagte er zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich?
Petrus antwortete: Für den Messias Gottes.
Doch er verbot ihnen streng, es jemand weiterzusagen.
Und er fügte hinzu: Der Menschensohn muss vieles erleiden und von den Ältesten, den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten verworfen werden; er wird getötet werden, aber am dritten Tag wird er auferstehen.
Zu allen sagte er: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.




Die Predigt

Liebe Schwestern und liebe Brüder,

kennen Sie das auch? Da sitzt man mit den Arbeitskollegen zusammen in einer Besprechung und redet mit ihnen und immer öfter ist einer dabei, der während des Gespräches sein Telephon zückt und seine Aufmerksamkeit darauf richtet. Es scheint dann, als würde jemand aus dem laufenden Gespräch aussteigen. Und haben sie sich nicht auch schon darüber geärgert, wenn ihr Gegenüber in einem Gespräch, dass ihnen wichtig ist, immer wieder auf die Uhr sieht und ihnen so zu verstehen gibt, dass ihm dieses Gespräch momentan gar nicht so wichtig, ja eher lästig ist? Kennen sie das? Hat sie das nicht auch schon geärgert?

Liebe Schwestern und liebe Brüder, ich kann und will mich da gar nicht raus nehmen, denn auch ich habe solches Verhalten und auch ich folge nicht jedem Gespräch mit der nötigen Aufmerksamkeit und manchmal hänge ich während eines Gespräches, das eigentlich sehr wichtig ist, anderen Gedanken nach, auch ich gehe also ab und zu „geistig Blumen gießen“ und andere ärgern sich zu Recht über mich. Aber wie geht es unserem Herrn Jesus Christus mit einem solchen Verhalten? Wie geht es ihm damit, dass wir ihm manchmal nicht richtig und manchmal auch gar nicht zuhören?

Gerade eben hat der Diakon die Perikope des heutigen Evangeliums beendet mit den Worten: „Evangelium, frohe Botschaft, unseres Herrn Jesus Christus“ und wir alle, übrigens auch der Diakon, haben darauf geantwortet: „Lob sei dir Christus“.

Wir haben also nicht, wie nach der Lesung zuvor, die mit: „Wort des lebendigen Gottes“ endete, in einer dritten Person von Gott gesprochen und geantwortet: „Dank sei Gott“, sondern wir haben Jesus direkt angesprochen und „Lob sei dir Christus“ gesagt, wir haben uns direkt an Jesus gewandt und ihn persönlich angesprochen. Wir haben Jesus geantwortet, weil er uns etwas gesagt hat, jedem einzelnen von uns.

Und obwohl wir alle das gleiche Evangelium gehört haben, kann es sein, dass sie die eine oder andere Stelle anders gehört haben als ihr Nachbarn oder als ich.

Liebe Schwestern und liebe Brüder, ich möchte ihnen nun erzählen, was ich gehört habe, was Jesus mir gesagt hat und was ich daraus ableite:

Er war in der Einsamkeit und betete. Er, den wir als wahren Mensch und eben auch als wahren Gott bekennen, betete. Schon der erste Satz ist unendlich wichtig für uns: Jesus betet. Er betet zu Gott, seinem Vater, der durch die Taufe auch unser Vater geworden ist und den wir seither mit „Abba, lieber Vater“ anreden dürfen. Mit der Taufe sind wir Christen, wir tragen seinen Namen, deshalb sollen wir es machen wie Jesus. Wir sollen zu Gott beten, nicht weil Gott unser Gebet braucht, nicht weil Gott ein Gebetsdefizit hat, sondern weil wir dadurch Gott näher kommen, weil wir durch das Gebet Jesus ähnlicher werden können.

Und dann fragt Jesus, für wen ihn die Leute halten und, nachdem die Jünger ihm Antwortet gegeben haben, fragt er: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“

Liebe Schwestern und liebe Brüder, das Evangelium ist ein ganz persönliches Gespräch mit Jesus und Jesus hat gerade jeden einzelnen von uns gefragt: „Und du, für wen hältst du mich?“ Können wir auf diese Frage eine Antwort geben? Und wissen wir eigentlich, wie wichtig die Antwort auf diese Frage ist? Sind wir uns bewusst, dass diese Antwort entscheidend über Leben und Tod ist? Im Römer-Brief steht: „Wenn du mit deinem Mund bekennst: «Jesus ist der Herr» und in deinem Herzen glaubst: «Gott hat ihn von den Toten auferweckt», so wirst du gerettet werden.“ Glauben kann man das nur, wenn man sich auf Gott einlässt; einlassen auf Gott fällt leicht, wenn man betet; beten ist etwas, zu dem uns Jesus ganz zu Beginn dieses Evangeliums aufgefordert und eingeladen hat. Und wenn wir dann, wie Petrus, bekennen und glauben, dass Jesus der Messias Gottes ist, dann wird auch die nächste Forderung Jesu nicht mehr schwer zu erfüllen sein: Jesus sagt zu uns, zu ihnen und zu mir, zu jedem einzelnen von uns: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach. “ Und übersetzt heißt das nichts anderes als: „Wenn du mein Jünger sein willst, wenn du zu mir kommen und bei mir sein willst, dann nimm dich nicht mehr selber als das Maß der Dinge, erkenne Gott als den Mittelpunkt in deinem Leben. Nimm dein Kreuz, das tägliche Kreuz der Mühe, das Kreuz des Leides, der Frustration, des Stresses und der Trauer und folge mir nach. Dabei kann dein Kreuz sogar noch schwerer werden, denn es wird jetzt auch noch das Kreuz des Spottes und des verlacht seins, und manchmal auch das Kreuz der Einsamkeit sein. Aber wenn du dein Kreuz trägst, wird Jesus dir beim Tragen helfen!“

Und weiter sagt Jesus: „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, der wird es retten.“ Jesus sagt also zu ihnen und zu mir, zu jedem einzelnen von uns: „Wenn du an deinem jetzigen Leben festhältst, wirst du es einmal verlieren, so wie der ganze Mammon und dein Wohlstand vergehen werden. Wenn du aber, um meinetwillen, dein Leben in Konsumrausch, Wellness, Selbstbezogenheit und all dem anderen, was dich von mir trennt, aufgibst, es zumindest versuchst und dich um ein Gott gefälliges Leben bemühst, dann wirst du nicht sterben, dann wirst du das wahre Leben bei mir finden! Das ewige Leben in ewiger Glückseligkeit, das Leben bei Gott deinem Vater!“

Liebe Schwestern und liebe Brüder, das ist eine Frohe Botschaft, für die man gar nicht oft genug „Lob sei dir Christus“ rufen kann! Das ist die Botschaft Jesu Christi, die mich erfüllt; das ist das Evangelium unseres Herrn und Erlösers, an das die Heilige Kirche glaubt; das ist die Botschaft unseres Heilands, unseres Retters und unseres Gottes, die für jeden von uns Hoffnung ist. Es lohnt sich so sehr, auf Jesus zu hören, ihm zuzuhören, über seine Fragen nachzudenken, darauf zu antworten und das Gespräch mit ihm zu führen. Und wenn wir uns auf sein Evangelium einlassen und ihm, Jesus Christus, nachfolgen, dann ist es die Frohe Botschaft dessen, der auferstanden ist und dem wir auch hierbei folgen dürfen.

Liebe Schwestern und liebe Brüder, ich habe ihnen nun gesagt, was ich gehört habe, aber was haben sie gehört, was hat Jesus Ihnen gesagt? Wie würden sie seine Frage beantworten: „Und du, für wen hältst du mich?“



Warum habe ich diese Predigt geschrieben?

Für die Vorabendmesse zum 12. Sonntag im Jahreskreis C und für den Sonntag, den 19. Juni 2016 habe ich obige Predigt geschrieben und in der Wattenscheider Propsteikirche gehalten. Warum eigentlich?

Das Studium der Theologie am Erzbischöflichen Diakoneninstitut in Köln ist etwas ganz besonderes und etwas sehr wertvolles. Vieles habe ich im Rahmen meines Kölner Theologie Studiums, das ich 2015 abgeschlossen habe, als viel zu selbstverständlich angesehen, ganz sicher auch, weil ich es nicht anders gekannt habe. Nicht als selbstverständlich habe ich meine Aufnahme in die Diakonenausbildung und das damit verbundene Studium der katholischen Theologie und erst recht nicht als selbstverständlich habe ich meine Weihe zum Diakon angesehen, denn das dies eine große Gnade Gottes ist, wird in einer Zeile des österlichen Exultet-Gesang hervorragend ausgedrückt: «...dass er, der mich ohne mein Verdienst, aus reiner Gnade, in die Schar der Leviten berufen hat...». Als viel zu selbstverständlich angesehen habe ich, wie in Köln das Studium der Theologie organisiert ist, wie es „abläuft”; ein Studium, in dem es um Gott, den personalen Gott und nicht um Gott, das Objekt, geht.

Es geht um den personalen Gott! Deshalb beginnt in Köln der Ausbildungstag mit einer heiligen Messe oder mit dem gemeinsamen Gebet der Laudes. Deshalb wird in Köln um 12 Uhr die Sext gebetet, deshalb gibt es das Gebet vor und die Danksagung nach den Mahlzeiten und deshalb endet der Tag mit dem Gebet der Vesper und, wenn wir in Köln übernachtet haben, mit dem Gebet der Komplet. Bei seinem Besuch der Zisterzienserabtei Heiligenkreuz und der zugehörigen Hochschule sagte Papst Benedikt XVI in seiner Ansprache im September 2007 über die Mönche und die, die in der Ausbildung auf dem Weg dazu sind: «...sondern sie beten einfach deshalb, weil Gott es wert ist, angebetet zu werden. „Confitemini Domino, quoniam bonus! Danket dem Herrn, denn er ist gütig! Denn seine Huld währt ewig”». Und dieser Geist ist auch in Köln zu finden, das Studium der Theologie ist in Köln eingebettet in das Gebet, in das persönliche Gespräch mit dem personalen Gott!

Natürlich muss man sich im Studium der Theologie auch um Gott als Objekt kümmern, wie etwa will man sonst „Gott vor das Tribunal der Vernunft stellen” und der Theodizeefrage nachgehen; aber Gott darf nicht auf das Objekt reduziert werden, es darf aus dem personalen Gott kein nichtpersonales Wesen gemacht werden. Und trotzdem, so habe ich den Eindruck, scheint genau dies an vielen Schulen der Theologie zu geschehen! Mit personalen und apersonalen Gottesbildern leben zu müssen, erzeugt eine schmerzhaft große Spannung, eine Spannung, die viele Menschen und auch uns Katholiken hilflos macht. Und dennoch geschieht genau das, beide Gottesbilder existieren inzwischen parallel. Das hat auch Klaus Müller, Professor für philosophische Grundfragen der Theologie aus Münster festgestellt, der weiter äusserte, dass es für viele Menschen an Attraktivität gewinnt, sich Gott „apersonal”, einfach nur als „höheres Wesen” vorzustellen.

Und – nachdem ich beschlossen hatte, mein Studium noch ein wenig zu verlängern – auch an der Katholischen Fakultät der Ruhruniversität Bochum erlebe ich, dass Gott viel zu oft nur als Objekt, hier als Objekt der Forschung gesehen wird. Es ist dort zum Glück nicht so oft vertreten, dass, wie ich es ausserhalb der Uni auch immer öfter erlebe, Gott als ein Objekt gesehen wird, das nach menschlichen Vorstellungen zu funktionieren hat. Es ist in Bochum an der RUB aber doch ganz anders als in Köln; die theologische Wissenschaft macht viel Freude, aber mir fehlt etwas an der RUB, der Bochumer Ruhruniversität. Mir fehlt die Sicht auf einen personalen Gott, es fehlt mir der Raum des Gebetes, des persönlichen Gespräches mit Gott, es fehlt mir das Kreuz an der Wand; es fehlt mir die Sicht auf den personalen Gott, der sich in Jesus Christus offenbart hat! Es ist die „kniende Theologie”, die Hans Urs von Balthasar gefordert hat und an die Benedikt in seiner Ansprache in Österreich erinnerte, die mir in Bochum fehlt. Bei seinem Besuch der Abtei der Zisterzienser, der oben schon erwähnt wurde, bemerkte Benedikt auch: «Gott ist ja nie bloß Objekt der Theologie, er ist immer zugleich ihr lebendiges Subjekt. Christliche Theologie ist auch nie eine bloß menschenförmige Rede über Gott, sondern sie ist immer zugleich der Logos und die Logik, in der Gott sich zeigt. Darum sind wissenschaftliche Intellektualität und gelebte Frömmigkeit zwei Elemente des Studiums, die in unaufgebbarer Komplementarität aufeinander angewiesen sind.»

Den personalen Gott wieder zu sehen, das war meine Motivation für die Predigt vom 19. Juni 2016. Wieder zu erkennen, dass wir Gott, den Heiligen Geist und Jesus Christus direkt ansprechen dürfen und müssen, das war meine Intention. Wir sprechen Jesus nach jedem Evangelium direkt und persönlich an, wenn wir „Lob sei dir Christus” sagen, aber machen wir uns das bewusst? Und wenn wir das Evangelium hören, dann sind es Fragen, die Jesus uns stellt, dann ist es ein Gespräch mit Jesus Christus, dem wir antworten können, mit dem wir sprechen können; ein Gespräch, das wir im Gebet fortsetzen dürfen. (Dringend muss das Gebet das Thema einer weiteren Predigt werden, aber ich habe noch so viele andere Themen...) Es ist ganz wichtig, wieder den personalen Gott in den Mittelpunkt zu stellen und dem apersonalen Gott abzuschwören und das „Objekt Gott” nicht weiter zu funktionalisieren, denn der apersonale Gott führt in den Atheismus. Und – so bin ich ganz fest überzeugt – der Mensch schreit nach einem allmächtigen Gott, den er anbeten, dem er sein Leid klagen, den er um Hilfe bitten, den er anklagen, dem er danken und dem er sich im Lobpreis nähern darf und der auf die Sinnfrage menschlicher Existenz eine Antwort gibt. Der Mensch schreit nach einer persönlichen Bindung zu Jesus Christus, in dem Gott sich uns gezeigt hat. Diesen personalen Gott dürfen wir nicht vorenthalten sondern wir müssen von diesem Gott sprechen. Der evangelische Theologe Stephan Schaede stellte dazu fest: „In der Meinung, die Leute würden mit dem personalen Gott nichts mehr anfangen können, erzählt man lieber gleich gar nichts mehr von ihm.”

Ach ja, ich wollte auch endlich mal eine kurze Predigt halten!

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e-mail: Ulrich Franzke <diakon@ulrich-franzke.de>