30. Woche im Jahreskreis Lesejahr C

Wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt,
wer sich aber selbst erniedrigt, der wird erhöht.



Der Halleluja-Ruf und das Evangelium

Das Evangelium (Lk 18, 9-14)

In jener Zeit erzählte Jesus einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Beispiel:
Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stellte sich hin und sprach leise dieses Gebet:
Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe dem Tempel den zehnten Teil meines ganzen Einkommens.
Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wagte nicht einmal, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig!
Ich sage euch: Dieser kehrte als Gerechter nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Die Predigt


Die Predigt

„Gott, sei mir Sünder gnädig“, betet der zweite Mann im Tempel. Mit seinem Gebet und Hilferuf „Gott, sei mir Sünder gnädig“ ruft er Gott um Gottes Barmherzigkeit an. Im Wort Barmherzigkeit steckt das alte, inzwischen kaum noch benutzte Verb „barmen“, was wir mit „habe Mitleid“, „sei gnädig“ übersetzen können.

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
am 8. Dezember des letzten Jahres (2015), also vor 320 Tagen, hat das von Papst Franziskus ausgerufene außerordentliche Heilige Jahr der Barmherzigkeit begonnen; am 20. November, also in nun noch 28 Tagen ist es dann wieder zu Ende. Barmherzigkeit ist ein Wort, das wir in den letzten Monaten sehr oft und viel gehört haben und dennoch sollten wir über Barmherzigkeit noch einmal genauer nachdenken. An was denken wir, wenn wir das Wort Barmherzigkeit hören? An die Barmherzigkeit Gottes, an die Barmherzigkeit unserer Mitmenschen, an unsere eigene Barmherzigkeit oder vielleicht sogar daran, wie unsere menschliche Barmherzigkeit aus Gottes Sicht aussieht? Fragen wir uns, was Barmherzigkeit bedeutet? Sind wir uns über die Unterschiede von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit oder Barmherzigkeit und Mitleid bewusst? Üben wir Barmherzigkeit? Sind wir barmherzig?

Gott ist ein barmherziger Gott, ein Gott, der gnädig ist und der uns immer wieder eine neue Chance gibt, der uns, wenn wir es zulassen, unser Leben lang begleiten und  – wenn wir es genauso zulassen, am Ende unseres Lebens, nach unserem Sterben bei sich haben möchte.

„Gott, sei mir Sünder gnädig“ bittet der Zöllner, der zweite Mann im Tempel und er darf, wie Jesus es uns auch mit dem Beispiel des heutigen Evangeliums gezeigt hat, auf Gottes Barmherzigkeit hoffen und vertrauen; so wie jeder von uns auf Gottes Barmherzigkeit vertrauen darf. Der andere Mann im Tempel dagegen, der fastet zweimal in der Woche, gibt dem Tempel den zehnten Teil seines Einkommens und dankt Gott dafür, dass er nicht so ist wie die anderen, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder die zur damaligen Zeit als sehr unehrenhaft angesehenen Zöllner.

Jesus erzählt sein Beispiel von den zwei Männern im Tempel einer Gruppe von Menschen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt sind und andere verachten. Jesus beschreibt zwei verschiedene Männer. Was aber unterscheidet die zwei Männer von einander? Der erste ist von seiner Gerechtigkeit überzeugt und verachtet den anderen, der ein Zöllner, also ein schlechter Mensch ist. Der erste Mann ist selbstgerecht, er erhöht sich. Er fordert von Gott die Gerechtigkeit, die ihm, so denkt er, zusteht. Der zweite Mann, der Zöllner, sieht sich als Sünder, er bittet Gott um seine Barmherzigkeit, er weiß, dass er niemals bestehen könnte, würde Gott nur nach Recht und Gerechtigkeit richten. Was unterscheidet die zwei Männer nun also von einander? Der erste der beiden Männer sieht sich als fromm, rechtschaffen, gerecht, groß, stark und ehrlich, eigentlich braucht er Gott doch gar nicht, irgendwie ist er doch schon selber Gott. Er dankt sich doch eigentlich selber, das er so ist, wie er ist.

Der zweite, der Zöllner, ist sicher einen langen, anstrengenden und steinigen Weg gegangen, bis er zu dem Punkt gekommen ist, an dem er nun steht. Er hat Leid ertragen und sich dabei selbst beobachtet und reflektiert. Wenn er sich einmal an anderen gemessen hat, so ist das schon lang her, im Tempel stehend im Gebet und Hilferuf an Gott misst er sich nicht an anderen. Er ist bei sich. Er hat seine eigene Kleinheit und Unwichtigkeit erkannt und angenommen. Er lügt sich nicht an, sondern sieht auf die schmerzhafte Wahrheit seiner Existenz. Er ruft Gott, weil er ihn braucht. Er bekennt Gott als den Höchsten und Größten, er ist bei Gott geblieben. Und  – Gott ist bei ihm geblieben, so sagt uns Jesus in seinem Beispiel, denn der Zweite ist es, der als Gerechter nach Hause zurück kehren wird, der Erste aber nicht.

Liebe Schwestern und Brüder,
wer von uns sieht sich nicht auch gerne als fromm, rechtschaffen, groß, gerecht und stark, wer von uns kann da ehrlich zu sich selber sein? Aber sind wir nicht alle immer und immer wieder Verkehrsrowdys, Steuerhinterzieher, Ehebrecher, Betrüger, uninteressiert anderen gegenüber, ignorant, selbstbezogen, hochmütig und stolz? Sie, liebe Schwestern und liebe Brüder, wissen nicht, wie oft ich der Erste der beiden Männer bin, wenn ich mich in meiner Selbstgerechtigkeit und Frömmigkeit bade, wenn ich mich messe an anderen und mich auf dem Weg zur Beichte frage, was ich da nun eigentlich beichten soll. Dabei habe gerade ich es so nötig zu Gott zu rufen, zu schreien, zu flehen: „Gott  – sei mir armen Sünder gnädig! Sei barmherzig mit mir, lass mich nicht verloren gehen! Gott  – sei bei mir, rette mich!“

Noch 28 Tage dauert das Heilige Jahr der Barmherzigkeit. In der Generalaudienz vom Mittwoch vor zehn Tagen (12. Okt. 2016) machte Papst Franziskus wieder auf die Barmherzigkeit aufmerksam und er erinnerte daran, dass es die sieben leiblichen und die sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit gibt. Wir sollen Hungrige speisen, Durstige tränken, Nackte bekleiden. Wir sollen Fremde beherbergen und Kranke besuchen. Wir sollen Gefangene erlösen und Tote begraben. Das sind die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit. Und die geistigen Werke der Barmherzigkeit? Wir sollen Unwissende lehren und Zweifelnde beraten. Wir sollen Trauernde trösten, Sünder zurecht weisen und Beleidigern verzeihen. Wir sollen Lästige ertragen und für Lebende und Verstorbene beten. In der Generalaudienz vor zehn Tagen sagte unser Papst: „Wenn jeder von uns, jeden Tag, nur eine dieser Gesten, dieser Werke tun würde, wäre das eine echte Weltrevolution! Aber alle, nicht wahr? Jeder von uns!“ Und der Papst fährt fort: „Möge der Heilige Geist uns helfen, uns einen solchen Lebensstil zu wünschen, jeden Tag mindestens ein Werk zu tun, mindestens!“

Jesus fordert uns mit seinem Beispiel im heutigen Evangelium zur Umkehr auf und auch Papst Franziskus greift das auf und sagt, wie diese Umkehr geht: Durch den Weg, den der Herr selber vorgegangen und der sehr einfach sei – er bestehe aus kleinen Gesten. „Denken wir nicht“, so der Papst, “dass es darum ginge, geradezu übermenschliche Anstrengungen zu unternehmen. Nein, darum geht es nicht!“ Der Papst erinnert auch an eine seiner Lieblingsstellen in der Heiligen Schrift, das „Testament Jesu, wie es vom Evangelisten überliefert ist“, in dem Jesus erklärt, dass alles, was an den Geringsten getan werde, an ihm selbst getan sei.

Noch 28 Tage dauert das außerordentliche Heilige Jahr der Barmherzigkeit. Haben sie schon einmal an einen Kurzurlaub gedacht? Jetzt in den nächsten 28 Tagen? An einen Tag Wellness-Urlaub? Wellness für die Seele? Vielleicht in Recklinghausen, in Werl oder in Mönchengladbach, in Kevelar, in Münster oder in Köln? Wellness-Urlaub an einem Ort, an dem es eine Heilige Pforte, eine Pforte der Barmherzigkeit gibt? Haben sie darüber schon einmal nachgedacht?

Gerade jetzt, im Heiligen Jahr der Barmherzigkeit, gibt es eine besondere Möglichkeit, einen Ablass, also eine Verkürzung oder sogar Aufhebung der Zeit im Fegefeuer zu gewinnen; einen Ablass für sich, den sie aber auch an einen bereits Verstorbenen weiter geben dürfen. Was ist eigentlich ein Ablass? Würden sie heute Abend einen Stein nehmen und in die Fensterscheibe ihres Nachbarn werfen und die Scheibe damit zerstören, dann könnten sie morgen ihren Nachbarn um Entschuldigung bitten. Würde der ihre Entschuldigung bestätigen, dann hat er ihnen zwar die Schuld, das Vergehen des Scheibe Einwerfens verziehen, der Schaden wäre aber immer noch da und sie müssten für die Kosten einer neuen Scheibe aufkommen; sie müssten den Schaden also dennoch beheben. Genauso ist es mit unseren Vergehen gegen Gott, in der Beichte werden die Sünden vergeben, der Schaden ist aber immer noch da und muss behoben werden. Hier kann dann der Ablass helfen.

Und wie bekommt man so einen Ablass? Voraussetzung für den Ablass des Heiligen Jahres der Barmherzigkeit ist die Umkehr, wie Jesus sie gefordert und von der Papst Franziskus gesagt hat, dass sie für jeden von uns ohne übermenschliche Anstrengung möglich ist. Ein Lossagen von der Sünde mit dem festen Vorsatz, nach dem Ablass nicht fröhlich weiter zu sündigen. Das Ablegen der Beichte und der Empfang des Bußsakraments, das Empfangen der Heiligen Kommunion und das Beten eines Gebetes in den Anliegen des Papstes, das Durchschreiten einer Heilige Pforte und das Meditieren über die Barmherzigkeit Gottes, das ist alles, was für diesen Ablass nötig ist. Haben sie über einen solchen Wellness-Tag schon einmal nachgedacht? Machen sie doch einfach mal einen Wellness-Tag für die Seele, an dem sie später natürlich auch in einem netten Café nahe einer Heiligen Pforte ein Stück Kuchen und einen Kaffee haben und sich an der Schönheit der Schöpfung Gottes erfreuen und auf seine Barmherzigkeit vertrauen können! Und vielleicht schenkt Gott ihnen an diesem Urlaubstag auch noch eine Gelegenheit, selber Barmherzigkeit zu üben. Papst Franziskus nennt ein kleines Beispiel hierzu: „Das sind alltägliche Dinge! ‚Mir geht es schlecht...‘ ‚Gott wird dir schon helfen, ich hab jetzt keine Zeit...‘  – Nein! Ich halte inne, ich höre zu, ich verliere Zeit und rate und tröste, das sind alles Zeichen der Barmherzigkeit, die nicht nur diesem Menschen getan werden, sondern Jesus selbst!“



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