+Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (Lk 13,1-9)
Zu jener Zeit kamen einige Leute und berichteten Jesus von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit dem ihrer Opfertiere vermischt hatte.
Und er antwortete ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer größere Sünder waren als alle anderen Galiläer, weil das mit ihnen geschehen ist?
Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle genauso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.
Oder jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms am Schiloach erschlagen wurden – meint ihr, dass sie größere Schuld auf sich geladen hatten als alle anderen Einwohner von Jerusalem?
Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle ebenso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.
Und er erzählte ihnen dieses Gleichnis:
Ein Mann hatte in seinem Weinberg einen Feigenbaum gepflanzt; und als er kam und nachsah, ob er Früchte trug, fand er keine.
Da sagte er zu seinem Winzer: Siehe, jetzt komme ich schon drei Jahre und sehe nach, ob dieser Feigenbaum Früchte trägt, und finde nichts. Hau ihn um! Was soll er weiter dem Boden seine Kraft nehmen?
Der Winzer erwiderte: Herr, lass ihn dieses Jahr noch stehen; ich will den Boden um ihn herum aufgraben und düngen.
Vielleicht trägt er in Zukunft Früchte; wenn nicht, dann lass ihn umhauen!
Liebe Schwestern und liebe Brüder,
mit dem heutigen Evangelium habe ich mich sehr schwer getan. Schon Ende Februar habe ich angefangen, mir über diesen Text Gedanken zu machen. Ich habe verschiedene Übersetzungen des Evangeliums und zugehörige Kommentare gelesen, habe festgestellt, dass in der alten Einheitsübersetzung Vers 3 und Vers 5 mit den gleichen Worten übersetzt wurden, habe sogar ins griechische Original gesehen und dort die kleine Unterschiedlichkeit dieser zwei Verse festgestellt. Ich habe über den Text nachgedacht, mit Freunden diskutiert und bemerkt: Noch nie ist es mir so schwer gefallen, mir Gedanken zu einem Evangelium zu machen – weil meine Gedanken sich nicht ändern wollten und ich doch so gerne andere Gedanken hätte. Aber diese Verse 3 und 5 stehen da und verlieren auch durch verschiedene Übersetzungen nichts von ihrer Schärfe; Jesus sagt hier: „Ihr werdet alle genauso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.“ –
Liebe Schwestern und Brüder, ich möchte mich nicht, ich möchte mich nie(!) mit erhobenem Zeigefinger vor sie hinstellen.
Natürlich war dann die Idee da, doch über den wunderbaren Mose-Text und den brennenden Dornbusch zu predigen, aber das wäre ja ein Weglaufen vor der Herausforderung dieses Evangeliums. Und dann dachte ich an die Fürbitte der Vesper des Montags der vierten Woche im Jahreskreis, in der wir Gott bitten: „Beschütze alle, die in deiner Kirche zum Dienst der Predigt bestellt sind, – damit sie selbst nicht verlorengehen.“; denn diese Fürbitte erinnert mich an die große Verantwortung, die ich mit meiner Weihe übernommen habe, wenn es um die Auslegung des Wortes Gottes geht.
Ja, liebe Brüder und liebe Schwestern, genau darum geht es im heutigen Evangelium, um das in der Fürbitte angesprochene Verlorengehen. Ich sehe es so: Jesus warnt uns immer wieder und auch heute vor der großen Gefahr des Verlorengehens. Und natürlich, so kennen sie mich, natürlich deute ich das Evangelium dann wieder bezogen auf die Endzeit, bezogen auf das ewige Leben, bezogen auf den Ort, an dem ein jeder – und damit auch ich – seine Ewigkeit verbringen wird.
Jesus fragt seine Zuhörer, ob sie meinen, das da ein paar Menschen größere Sünder waren als alle anderen, weil sie auf so grausame Weise gestorben sind? Und weiter fragt Jesus seine Zuhörer, ob sie vielleicht auch meinen, das alle anderen und damit auch sie selber keine Sünder sind? Also ob nur die Sünder seien, die da sogar beim Bringen der Opfergaben abgeschlachtet wurden, sodass sich ihr Blut mit dem Blut der Opfertiere vermischt? Oder die anderen, die von wahrscheinlich einem Wach- und Stadtmauernturm erschlagen wurden? Sind diese alle auf grausame Art gestorben, weil sie größere Sünder waren als andere Menschen und schwerere Schuld auf sich geladen hatten? Werden alle anderen aber ein besseres Schicksal haben? Jesus warnt uns, uns in einer trügerischen Sicherheit zu wähnen, zu meinen, uns, einem jeden von uns könnte nichts passieren. Jesus warnt uns zu meinen, wir wären frei von Schuld und Sünde. Und mit dramatischen Worten ruft Jesus zur Umkehr auf, die Verse drei und fünf können gar nicht anders gelesen werden, wenn Jesus zweimal sagt: „Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle genauso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.“
Liebe Brüder und liebe Schwestern, ich habe diese Predigt vier Freunden vorgelesen, wie ich es immer mit meinen Predigten mache. An dieser Stelle fragte mich einer von ihnen sehr erregt: „Aber wo, wo ist in deiner Predigt der Jesus, der befreit?“ Und ich habe geantwortet: „Er ist da und er befreit dadurch, dass er uns so drastisch zur Umkehr auffordert, indem er uns die Konsequenzen unseres jetzigen Weges aufzeigt!“ Jesus ruft uns in diesem Evangelium zur Umkehr auf. Er zeigt uns die Kürze der uns zur Verfügung stehenden Zeit. Er zeigt uns, dass ein Leben jederzeit zu Ende gehen kann und warnt uns, dass es dann zu spät sein wird. Er ruft uns auf, unser Leben zu ändern und zu Gott umzukehren, solange eben noch die Zeit dafür vorhanden ist. Er fordert uns auf, unser Leben auf Gott hin auszurichten, Gott den Schöpfer als den Mittelpunkt des Lebens zu erkennen und anzunehmen. Jesus befreit indem er einem jeden von uns auf radikalste Weise zu ruft: „Nutze deine Zeit!“
Liebe Schwestern und liebe Brüder, wir befinden uns in der Buß- und Fastenzeit vor unserem größten Fest. Jedes Jahr und immer wieder ist die Fastenzeit eine besonders wertvolle Zeit, in der wir durch intensives Gebet und Verzicht auf materielle Dinge unsere Sinne schärfen, über uns nachdenken und unser Leben wieder auf Gott ausrichten sollen. Wir gehen mit großen Schritten auf unser größtes Fest zu. Aber vor dem Osterfest steht die Fastenzeit und der Karfreitag. Vor unserem Osterfest, an dem unser Herr Jesus Christus durch seine Auferstehung uns wieder zeigen wird, dass es eine Hoffnung und ein Leben nach dem Tod gibt, steht die Karwoche und der Karfreitag. Und das ist die Zeit, in der Gott selber im Mensch gewordenen Jesus Christus gelitten hat. Jesus Christus hat Angst verspürt, unendliche und unvorstellbare Angst, er ging dennoch – wissend – seinem Leiden entgegen. Das Leiden das nicht nur körperlicher Art war durch seine Gefangennahme, durch die Geißelung bis auf die Knochen, durch das Tragen des schweren Kreuzes und durch die Kreuzigung, also durch unvorstellbaren körperlichen Schmerz. Viel mehr als das körperliche Leiden war der ganze Rest, die Angst vor dem was kommen würde und von dem er wusste und das ihn bis zum Blut schwitzen gebracht hat; der Verrat, die Abkehr sogar seines engsten Kreises, die Leugnung des Petrus, das Verlacht und Verhöhnt werden am Kreuz, die Erniedrigung, sein allein gelassen sein, diese tiefste Verzweiflung. All das hat Jesus für uns getan, um uns zu retten. Gott hat sich in diesen Taten mit dem Menschen versöhnt und sich geopfert für den Menschen, jetzt ist es nur noch erforderlich, dass der Mensch sich mit Gott versöhnt, dass ich mich mit Gott versöhne, dass sie sich mit Gott versöhnen. Und das geht durch die von Jesus geforderte Umkehr. Jesus hat uns gewarnt: „Nein, sage ich euch, vielmehr werdet ihr alle genauso umkommen, wenn ihr nicht umkehrt.“
Wie aber funktioniert diese Umkehr, die Versöhnung mit Gott? Der Umgang mit der eigenen Sündhaftigkeit und der eigenen Schuld ist unangenehm, ist unbequem, deshalb weichen wir dem so gerne aus und geben dem Satz „Schuld hat immer nur der andere“ eine hohe Gültigkeit. Was aber bedeuten die Worte aus unserem Schuldbekenntnis: „ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken“? Genau diese Fastenzeit ist die Zeit, darüber nachzudenken. Das Nachdenken über die eigene Sündhaftigkeit ist der erste Schritt und kann das größte Fastenopfer werden, ein viel größeres als der Verzicht auf Bier, Fleisch und Schokolade. Und mit dem innigen Gebet zu Gott und der Bitte um seine Hilfe wird es das größte Fastenopfer!
Der zweite Teil des Evangeliums, der Teil mit dem Feigenbaum, der dann doch nicht ausgerissen wird und noch ein weiteres Jahr bekommt, zeigt uns, welche Geduld Gott mit uns hat. Das Gleichnis zeigt uns, es ist nicht zu spät. Es ruft uns aber zu: „Nutze deine Zeit!“
Im Schott-Messbuch steht zum heutigen Evangelium: „Die Zeit der Gnade ist Zeit der Geduld Gottes; für den Menschen Zeit der Besinnung und Umkehr. Die Verzögerung des Gerichts ist kein Grund zur Sorglosigkeit. Am Tag der Ernte wird es offenbar, was aus unserem Leben geworden ist.“ Also: „Nutze deine Zeit!“
Wie jedes Jahr werde ich meine Zeit nutzen und vor Ostern wieder zur Beichte gehen und mich mit diesem großartigen Geschenk der Versöhnung beschenken lassen. Zur Beichte gehe ich meist ins Bochum-Stiepeler Zisterzienserkloster, zu den Mönchen. Da ist jeden Tag ab 17 Uhr bis mindestens 17 Uhr 45 Beichtgelegenheit. Jeden Tag. Und Beichtgelegenheit ist da auch zu anderen Zeiten nach Absprache. Und vorbereiten auf die Beichte werde ich mich wieder mit den Hilfestellungen aus unserem Gotteslob ab Nr. 593.
Und wenn ich dann im Beichtstuhl sein werde, werde ich sicher wieder feststellen und meinem Beichtvater sagen, dass es doch immer wieder die gleichen Sünden sind, die ich beichte. Und väterlich, in Vertretung Jesu Christi, wird er mir auch wieder sagen: „So ist eben der Mensch“. Und kurz danach werde ich leicht und befreit wieder raus gehen und mich auf unser kommendes Osterfest freuen.
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e-mail: Ulrich Franzke <diakon@franzke-bochum.de>