Am späten Abend des 5. Novembers 2019 kam bei mir eine SMS an, ob ich Freude daran hätte, am nächsten Morgen Kardinal Müller in der Wattenscheider Propsteikirche zu assistieren. Natürlich hatte ich Freude daran und habe mich am nächsten Morgen eine Stunde lang durch den Stau auf der A40 gequält, um diesen Dienst machen zu können.
Kardinal Müller kämpfte an diesem Tag nicht nur mit Maria-2.0-Aktivistinnen, sondern auch mit dem Stau im Ruhrgebiet und kam eine halbe Stunde zu spät.
Dem Kardinal zu assistieren war schon etwas ganz besonderes. Nach der hl. Messe hatten wir noch für ein paar Worte Zeit.
Am Abend gab es dann noch einen sehr interessanten Gesprächsabend mit Kardinal Müller und Fürstin Gloria von Thurn und Taxis, zu dem ich gerne auch noch gegangen bin.
Im Vorfeld hatte es einige „Verwirrungen“ (wie das DomRadio schreibt) gegeben. Die Veranstaltung sollte zuerst in der St.-Elisabeth-Kirche im Bochumer Stadtteil Gerthe stattfinden, dort hätte man aber die Eintrittspreise von 15 Euro kritisiert. Das kann ich unterstützen, ich bin auch gegen Veranstaltungen in Kirchen, bei denen Eintrittspreise gezahlt werden müssen. Eine Kirche ist ein Haus Gottes, ein Haus des Gebetes und aus meiner Sicht soll es dabei bleiben - aber was zählt schon meine Sicht...
Liest man in anderen Medien, dann bietet sich ein anderes Bild. So heißt es unter anderem in der Westdeutschen Allgemeine Zeitung, der WAZ: „Nach Protesten in einer katholischen Gemeinde in Bochum wird ein Gesprächsabend mit Kardinal Müller verlegt. [...]
Ziel der Kritik ist aber wohl auch Kurienkardinal Müller. Der ehemalige Bischof von Regensburg war bis 2017 Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre der römisch-katholischen Kirche: eine Zentralbehörde, die die Einhaltung der Glaubens- und Sittenlehre überwacht. Nach fünf Jahren an der Spitze verlängerte Papst Franziskus Müllers Amtszeit nicht. Der 71-Jährige gilt als Hardliner und ist gerade in reformoffenen Kirchenkreisen umstritten. So wendet sich Müller kategorisch gegen alle Bestrebungen, Frauen zu Weiheämtern zuzulassen.“
Etwas später, wie man es auch auf katholisch.de lesen kann, wird der Bochumer Katholikenrat mit einer Aussage seines Vorsitzenden mit dem Satz zitiert: „Die konservativen Äußerungen des Kardinals entsprechen ganz sicher nicht der Denke der Mehrheit unseres Gremiums“.
Ich habe bisher von Kardinal Müller noch keine Aussage lesen können, die nicht katholisch war und die in irgendeiner Weise dem Katechismus widersprochen hätte. Auch habe ich Probleme, ihn einem sehr konservativen (oder gar traditionalistischen) Umfeld zuordnen zu können. Soweit ich mich erinnern kann, war es doch Kardinal Müller, der als Regensburger Bischof den Piusbrüdern in Zaitzkofen öfter Ärger machte. Auch soll es Kardinal Müller gewesen sein, der sich für verheiratete Priester ausgesprochen hat. Und in seinem (oben verlinkten) Vortrag hat er all zu deutlich seine Sympathie für die südamerikanische Befreiungstheologie ausgesprochen. Hier von einem konservativen Hardliner zu sprechen halte ich für einseitig.
In meiner Vorstellung ist es das Wesen des Katholizismus, die verschiedensten Menschen, die alle das eine Ziel Jesus Christus haben und vor allem das Ziel, die eigene Ewigkeit mit Jesus Christus zu verbringen, unter dem Dach der Kirche vereinen. Schon in den Evangelien und in der Apostelgeschichte können wir von der Verschiedenheit der Apostel lesen. Und dennoch waren sie alle um Jesus Christus versammelt, weil er der Mittelpunkt unseres Lebens, unserer Existenz und unseres Denkens sein soll. Und für uns, die wir sogar seinen Namen tragen und uns Christen nennen, sollte es genauso sein, Jesus Christus, der uns zu gegenseitiger Liebe gemahnt hat, soll unser Mittelpunkt sein.
Fürstin Gloria von Thurn und Taxis ist, wie es schon in dem oben verlinkten
Artikel der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung beschrieben steht, eine
schillernde Figur. Ich würde sogar noch weiter gehen und von einer
beeindruckenden Persönlichkeit mit einem sehr lebendigen Humor sprechen.
Sie
schafft es problemlos, ernste Themen mit diesem Humor interessant
aufzuzeigen und das
Publikum gefesselt an ihren Gedanken teilhaben zu lassen. Dabei strahlt sie
ein beeindruckendes Selbstbewusstsein aus. Ich denke, man muss die
Fürstin als ein Gesamtkunstwerk betrachten. Umso mehr schmerzt es, wenn
Aussagen von ihr aus dem Kontext gerissen und als einzelne Aussagen
negativ bewertet werden.
Für mich war es auf jeden Fall ein großartiges Ereignis, Kardinal Müller assistieren zu dürfen und am Abend auch noch Fürstin Gloria von Thurn und Taxis kennengelernt und mit ihr ein Gespräch gehabt zu haben.
Zurück zur vorigen Seite
oder zur Startseite
e-mail: Ulrich Franzke <diakon@franzke-bochum.de>