Hochzeit zu Kana

2. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr C




+ Aus dem heiligen Evangelium nach Johannes (Joh 2, 1-11)
In jener Zeit fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt, und die Mutter Jesu war dabei.
Auch Jesus und seine Jünger waren zur Hochzeit eingeladen.
Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr.
Jesus erwiderte ihr: Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.
Seine Mutter sagte zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut!
Es standen dort sechs steinerne Wasserkrüge, wie es der Reinigungsvorschrift der Juden entsprach; jeder fasste ungefähr hundert Liter.
Jesus sagte zu den Dienern: Füllt die Krüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis zum Rand.
Er sagte zu ihnen: Schöpft jetzt, und bringt es dem, der für das Festmahl verantwortlich ist. Sie brachten es ihm.
Er kostete das Wasser, das zu Wein geworden war. Er wusste nicht, woher der Wein kam; die Diener aber, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es.
Da ließ er den Bräutigam rufen und sagte zu ihm: Jeder setzt zuerst den guten Wein vor und erst, wenn die Gäste zu viel getrunken haben, den weniger guten. Du jedoch hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten.
So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.


Am Fuße des Förderturmes des Schachtes „St. Gertrud“ der Zeche „Propstei“ wird eine Hochzeit gefeiert, während unter Tage noch gearbeitet wird (seit dem 21. Dezember 2018 wird aber nur noch gepumpt). Das Brautpaar sitzt am Tisch, man hat sich fein angezogen, manch einer seine Bergmannsuniform, ein Besucherpaar tanzt, DJ Roberto legt gerade eine neue Platte auf und ganz links im Bild wundert man sich, was da wohl gerade in dem Fass passiert ist...
Unser Küster, Herr Fudali, der jedes Jahr Weihnachtskrippen gestaltet, hat auch dieses Jahr wieder jede Woche eine neue und großartige Installation gestaltet und für den zweiten Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres C die Hochzeit zu Kana nach Wattenscheid in die Propsteikirche St. Gertrud geholt.







Predigt

Liebe Schwestern und liebe Brüder,
haben sie schon einmal darüber nachgedacht, wahnsinnig werden zu wollen? Mir geht es jedenfalls öfter so, dass ich darüber nachdenke. Das erste Mal ist es mir passiert, als ich ein Kind war und bei Dunkelheit mit meiner Oma auf der Veranda saß und sie versuchte, mir die Unendlichkeit zu erklären. Wir blickten in den Himmel, sahen die Sterne und sie sagte mir, dass das All, der Raum, alles was da vor uns wäre und wir gerade sehen könnten, niemals enden würde. Sie hat es mir erklärt und ich habe versucht, mir das vorzustellen. In Gedanken bin ich rein geflogen in dieses Universum und habe versucht, die Unendlichkeit zu begreifen, sie zu erfassen. Aber ich habe es nicht geschafft, weil meine Vorstellungskraft damals als Kind einfach irgendwann eine Backsteinmauer hingesetzt und das Weltall damit begrenzt hat. Meine Phantasie hat das All in ein großes Ei gesetzt, dass aus Backsteinen gemauert war. Aber dann waren da die Worte meiner Oma, dass da doch keine Mauer sein könnte, weil es doch unendlich, also ohne Ende ist. Und so habe ich in meinen Gedanken die Mauer eingerissen, aber sie entstand sofort einen Meter dahinter wieder neu. Und weil das ja nicht sein darf, habe ich sie wieder eingerissen und sie entstand kurz dahinter wieder neu. Und ich habe sie nochmal eingerissen und so weiter und so fort. Und dann, als ich feststellte, dass ich aus dieser Mauereinreißnummer nicht mehr herauskommen würde, habe ich angefangen mich zu fragen, was dann hinter dieser Mauer sein würde. Und ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass ich damals merkte, wie diese Gedanken mich an die Grenzen meines Verstandes brachten.

Liebe Brüder und liebe Schwestern, was aber hat die Unendlichkeit des Raumes und die Begrenztheit des menschlichen Verstandes mit dem heutigen Evangelium zu tun? Aus meiner Sicht viel: Wenn ich darüber nachdenke, dass da einer Wasser in Wein verwandelt haben soll, dann klingt das ja erst mal recht fremd. Ohne eine Gärhefe und Unmengen von Zucker? Innerhalb weniger Augenblicke? Das ist unmöglich, das kann nicht sein. Und dann frage ich mich: Muss man so etwas glauben? Darüber nachdenken und versuchen es sich vorzustellen, Backsteinmauern finden und versuchen, diese einzureißen? Der Verstand sagt, das kann nicht sein, aber wir haben es doch gerade im Evangelium gehört. Also weiter darüber nachdenken, zweifeln, nachfragen, vielleicht sogar seinen Verstand dafür aufs Spiel setzen? Oder ist es nur als Allegorie, als ein Bild, als eine verschleierte Sprache zu verstehen, die auf etwas ganz anderes hinweisen will? Wasser in Wein verwandeln, muss man wirklich so etwas glauben? Oder will es uns einfach nur zeigen und betonen, dass dieser Jesus ein ganz besonderer Mensch war und vielleicht noch auf etwas Göttliches hinweisen? Hier gehen die Meinungen in der katholischen Kirche übrigens inzwischen sehr stark auseinander.

Liebe Schwestern und liebe Brüder, ich weiß nicht, wie sie mit diesem heutigen Evangelium umgehen, ob sie sich entschieden haben, an dieses Wunder zu glauben oder es als Bild zu sehen, ich kann ihnen nur sagen, wie ich damit umgehe, wie ich es verstehe und welchen Wahrheitsgehalt es für mich hat. Und ich mache es mit den einfachen Worten meines Kölner Exegese-Dozenten: „Es steht so da, weil es so geschehen ist!“ Ich glaube an dieses Wunder, ich glaube daran, dass Jesus Wasser in Wein gewandelt hat. Und obwohl ich weiß, dass es unglaublich ist, dass man mit diesem Gedanken anfangen kann zu zweifeln und zu verzweifeln, erlaube ich mir, daran zu glauben, manchmal auch über meinen Verstand hinweg. Sehr vieles gibt es in unserem katholischen Glauben, was eigentlich nicht sein kann, was wir mit unserer Vorstellungskraft und unserem Denken nicht fassen können.

Das Problem beginnt aus meiner Sicht im Kleinen: Bezweifele ich das Weinwunder, was ja, wie wir eben gehört haben, das erste von Jesus gewirkte Wunder war, dann kann ich doch zum Beispiel auch die Auferweckung des Lazarus anzweifeln, der ja immerhin schon roch. Oder die Jungfrauengeburt, eine der größten Spannungen überhaupt, denn die Vorstellung von Jungfrau und Mutter ist doch total abwegig. Und dann kann ich im nächsten Schritt die Auferstehung und das ewige Leben anzweifeln und verwerfen, denn das geht doch gar nicht. Tot ist eben tot, oder? Und es gibt ganz viele Menschen, die mit dem ewigen Leben nichts mehr anfangen können, lassen sie mich ein Beispiel bringen: In einer Wattenscheider Firmgruppe im letzten November, in der sich auch meine Tochter Esther auf das hl. Sakrament der Firmung vorbereitete, wurde unser Apostolikum, das Apostolische Glaubensbekenntnis, Satz für Satz durchgearbeitet, wie Esther mir berichtete. Dabei wurden die Sätze an eine Tafel geschrieben und die Jugendlichen bekamen je einen grünen und eine roten Aufklebepunkt. Den grünen Punkt sollten sie bei dem Satz kleben, der ihnen am angenehmsten war, den roten bei dem Satz, der ihnen das größte Problem mache. Dabei haben acht von zwölf Firmanden, das sind zwei Drittel(!), je einen roten Punkt geklebt bei dem Satz: „und das ewige Leben“. Zwei rote Punkte wurden anders und zwei weitere rote Punkte wurden gar nicht geklebt; nur zwei der Firmanden hatten demnach bei keinem der Sätze ein Problem. Meine Tochter Esther berichtete weiter, dass nach dem Kleben der Punkte versucht wurde, über das Problemthema „und das ewige Leben“ zu sprechen, es kam aber nur zu einer Wortmeldung eines Jungen, der meinte, er könne mit dem ewigen Leben nichts anfangen, weil er davon ausgeht, dass er mit seinem Tod weg sei, dass es also kein Danach gibt. Hier besteht offensichtlich ein Problem bei dem Glauben an das Danach. Und dieses Problem besteht nicht nur bei den jungen Menschen. Dieses Problem, der Glaube an ein Danach, besteht auch immer wieder bei uns: Seien wir doch mal ganz ehrlich, beim Zweifel am ewigen Leben hat sich jeder von uns schon einmal erwischt.

Unser Glaube, liebe Brüder und liebe Schwestern, ist wie ein Senfkorn, dass wir pflegen oder verdorren lassen können. Unser Glaube ist etwas, an dem wir arbeiten müssen, soll ein großer und tragender Baum daraus werden. Und unser Glaube ist etwas, an dem wir zweifeln und verzweifeln können. Und auch ich muss an meinem Glauben jeden Tag arbeiten, weil unser katholischer Glaube ist nicht einfach. Und auch ich denke immer und immer wieder über das nach, was ich da glauben soll und versuche zu versehen, dabei bin ich ja noch nicht mal in der Lage zu verstehen, warum und wie meine Fingernägel wachsen oder wie es mir möglich ist, Bilder zu sehen. Wenn ich mich selber noch nicht mal fassen kann, wie soll ich da Gott fassen können, wie soll ich verstehen, das Jesus Wasser in Wein wandeln kann?

Es gibt einfachere Religionen als den Katholizismus. Und dadurch, dass wir inzwischen unseren Glauben hinterfragen und beleuchten dürfen und auch sollen, ist er noch komplizierter geworden. Am Glauben zu arbeiten ist manchmal recht harte Arbeit.

Zwei Tipps möchte ich ihnen aber noch geben, die mir sehr geholfen haben, an die Wunder Jesu, wie etwa die Verwandlung von Wasser in Wein, glauben zu können. Und hier habe ich jetzt wieder das Bild meiner Oma im Kopf, die immer geduldig auf die Fragen ihrer Enkel einging und liebevoll und sehr bildreich alles erklärte. Erstens: Es hat mit meiner Vorstellungskraft zu tun. Wir alle haben in der Schule mal gelernt mit Unendlichkeiten zu rechnen; die Vorstellung einer Unendlichkeit fällt mir dennoch schwer. Der Versuch, die mich umgebende Unendlichkeit zu begreifen, gelingt mir auch nicht immer gut, dennoch habe ich kein Problem mit ihr; dennoch zweifele ich die Existenz der Unendlichkeit nicht an. Weil: – Nicht alles, was ich nicht fassen kann, muss mir ein Problem sein. Und vor allem: Nicht alles, was ich nicht fassen kann, darf deswegen nicht sein; darf nicht sein, nur weil mein Geist nicht ausreicht, es zu verstehen!

Und zweitens und noch viel wichtiger hat mir folgendes geholfen: Wir reden hier nicht über irgendeinen Menschen, wir reden hier über unseren Retter und Erlöser Jesus Christus, der wahrer Mensch und wahrer Gott ist – wir reden also über Gott! Wir reden über den Gott, der Alles aus dem Nichts erschaffen hat, wir reden über den Gott, der auch uns geschaffen hat, wir reden über den Gott, der allmächtig ist und für den nichts unmöglich ist. Für so einen kann es doch nur eine Kleinigkeit sein, Wasser in Wein zu verwandeln. Gott, unser himmlischer Vater hat uns die Möglichkeit des Glaubens geschenkt. Als ein ganz kleines Senfkorn, das wir pflegen, gießen und behüten können, so wie sie es durch ihren Kirchenbesuch gerade machen. Und dann wird aus diesem kleinen Samenkorn ein tragender Baum, der uns am Ende unserer irdischen Tage zu Gott tragen wird, in das göttliche Himmelreich zu unserem Schöpfer und Vater.

Es lohnt sich, über den eigenen Glauben noch einmal nachzudenken und sich zu fragen: Ist das Weinwunder von Kana, von dem wir heute gehört haben, ein Bild, eine Allegorie oder ist es etwas, was wirklich so geschehen ist. Ich kann ihnen dazu nur sagen, was ich glaube.

Für mich, liebe Brüder und Schwestern, ist es immer wieder tröstlich, daran erinnert zu werden dass auch die Kirche darum weiß, am Glauben wahnsinnig werden zu können. So beten wir alle, die das Stundengebet pflegen, am Freitag in der Vesper der 2. Woche, also alle vier Wochen zu Gott, er möge uns helfen, am Kreuz Jesu und damit an unserem Glauben nicht irre zu werden.


Im Bild ist unten links die Lore zu sehen, die am 21. Dezember 2018 zum letzten Mal Kohle nach oben gebracht hat. (Nicht wirklich, Herr Fudali hat sie nachgebaut...)





Credo quia absurdum est

Fides et ratio
, Glaube und Vernunft, Gott und Venunft, Gott und Realität, Vernunft und Realität, Glaube und Realität, das sind Themen, mit denen ich mich immer wieder gerne geistig auseinandersetze. Das Durchdenken des Themenkomplexes „Glaube und Vernunft“ heißt auch, vieles zu hinterfragen und sich Gedanken zu machen - machen zu müssen, ob alles so ist, wie es scheint und von der breiten Masse vertreten und „geglaubt“ wird (denn auch der Atheismus in seiner vehementen Ausprägung ist ein Glaube, eine Religion!). Denn es scheint doch, als würde der Glaube der Vernunft widersprechen et vice versa, als gebe es keinerlei Kongruenz zwischen diesen beiden Geistern, als stünden sich beide verfeindet und diametral entgegen. Auch die Realität, unsere sinnliche Wahrnehmung lehrt und schult uns und zeigt etwas auf, was Glauben und Gott entgegenstehen könnte. Ist der Glaube dann nur ein Konstrukt? Eine Krücke für arme, hilflose und schwache Menschen, die mit ihrem Leben nicht klar kommen und sich deshalb einen rettenden Gott basteln müssen? Oder ist Gott eine Realität, ein unumgängliches und unleugbares Faktum? Wie stehen die Wahrscheinlichkeiten für welchen Ausgang? Welches Denken ist richtig? Oder heißt die Antwort auf eine solche Fragestellung, sich dem Agnostizismus in die Arme zu werfen und die Frage als irrelevant, da nicht klärbar, einfach nach hinten zu schieben? Letzteres ist für mich keine Alternative! Also durchdenke ich es lieber und nähere mich an, mühsam aber erfolgreich, wie es mir scheint, denn der Glaube wächst. Beim Durchdenken und Annähern gibt es dann aber immer wieder die Momente, in denen man an seinem Verstand zweifeln kann, in denen man über seinen Verstand hinausdenken muss. Wahrscheinlich kennen Sie das auch, das sind dann Tage, an denen man keine Treppe mehr hochläuft, sondern sie erschwebt...

Irgendwann habe ich den Skeptizismus kennen und schätzen gelernt, also die Kunst, Gegebenes systematisch zu hinterfragen. Dabei geht es nicht darum, alles einen Umgebende in Frage zu stellen und generell zu bezweifeln, vielmehr geht es um interessante Gedankenspiele, die bei manchen meiner Mitmenschen auf blankes Unverständnis stoßen. Dabei halte ich solche Gedankenspiele gerade für Theologen für förderlich und hilfreich für eine Gotteserkenntnis. Für mich begann die systematische Auseinandersetzung mit dem Skeptizismus in meinem Philosophiestudium in den späten 1980ern, als der Prof. dort fragte, ob es möglich sei zu beweisen, dass diese Welt nicht erst vor zwei Sekunden entstanden sei. Natürlich, meinten die einen und winkten mit Beweisen; nein, sagten die anderen, die zu Recht damit argumentierten, dass dann ja auch alle Existenzbeweise erst vor zwei Sekunden entstanden seien. Und es kam zu einem heftigen Diskurs unter uns Studenten. Der Gedanke faszinierte mich. Und ich setzte mich weiter damit auseinander. Als sehr interessant für allerlei Gedankenspiele entpuppte sich für mich dann bald der Solipsismus und hier vor allem die Idee des eigenen Seins als ein Gehirn in einer Nährflüssigkeit - und das nicht nur in Bezug auf das eigene Sein, sondern auch als Erklärungshilfe für Verhaltensmuster anderer Menschen. Der Solipsismus hört damit auf, nur das - das eigene Ich - Umgebende in Frage zu stellen, es stellt vielmehr und vor allem dieses Ich in Frage. Und gerade der Solipsismus wird interessant, wenn man ihn mit der Gottesfrage in Verbindung bringt. Ich liebe solche Gedankenspiele - manchmal sehr zum Leid meiner Frau, die sich meine Erkenntnisse dann ab und zu anhören muss, obwohl sie auch öfter das Gegebene ähnlich hinterfragt.

Das Hinterfragen des Gegebenen ist etwas, was ich immer wieder und wohl auch schon sehr lange mache. Und ich habe festgestellt, dass es sich um so mehr lohnt etwas zu hinterfragen, je mehr Menschen von etwas angezogen sind und einer Sache anhängen. Es scheint mir gerade so zu sein, dass wenn viele Menschen etwas machen, dass dann darin ein Fehler verborgen ist, auf jeden Fall man sich gerade dann kritisch mit solchem (Massen-)Verhalten auseinander setzen muss (vielleicht hatte ich deshalb auch so viel Freude an dem Buch „Masse und Macht“ von Elias Canetti, das ich vor vielen Jahren mal gelesen habe). Das Hinterfragen und Ablehnen eines Mainstreams muss in mir grundgelegt sein, denn ich erinnere mich an ein gerahmtes Spruchbild, was ich von lieben Menschen zum 18. Geburtstag geschenkt bekam. Ein Bild auf dem stand: „Wer gegen den Strom schwimmen will, muss verdammt gut schwimmen können!“ (Hier möchte ich noch ergänzend zu diesem Bild erwähnen, dass nur der, der gegen den Strom schwimmt, zu den Quellen kommen kann...) Das Hinterfragen des Gegebenen kann dann auch zu Entscheidungen führen, die für andere gelinde gesprochen unkonventionell, ja sogar unverständlich sind: So heizen wir unser Haus mit (Scheit-)Holz, wollten viele Kinder haben (dreie sind es geworden), schicken unsere Kinder erst mit drei Jahren aus dem Haus in den Kindergarten, verzichten für diese vielen Jahre auf das zweite Gehalt und leben in dieser Zeit von einer vier Fünftel Stelle, glauben an Gott, gehen jeden Sonntag in die Kirche, machen keine Urlaubsflugreisen aus Umweltgründen, achten auf den Benzinverbrauch, fahren Fahrrad, machen uns mit Freuden Gedanken um die letzten Dinge (die Eschatologie) ohne depressiv zu werden, spielen echte Musikinstrumente, pflegen das Gebet, lesen Bücher aus Papier, benutzen keinen Weichspüler, haben einen Stromverbrauch von unter 1600 kW/h pro Jahr und achten auf gemeinsame Mahlzeiten. Und dann wird der Familienvater, nach Absprache und Übereinkunft mit der Ehefrau und den Kindern auch noch Ständiger Diakon der römisch-katholischen Kirche - das entspricht nicht dem Mainstream. Und das Unvorstellbare dabei ist auch noch - dieser Familie geht es gut - uns geht es gut, wir sind eine glückliche Familie! Das Hinterfragen des Gegebenen ist wertvoll.



Der Devotionalienhändler Hannes Täufer hat seinen Laden heute wegen der Hochzeit, an der er auch teilnimmt, geschlossen. Eine Woche zuvor, zur „Taufe des Herrn“, hatte er sogar am Sonntag noch geöffnet gehabt. DJ Roberto legt eine neue Platte auf.



Skeptizistisches Denken sollte auch das Thema meiner Predigt vom 20. Januar 2019, also vom zweiten Sonntag im Jahreskreis im Lesejahr C werden. Dabei hatte ich Paulus und einen seiner Briefe im Kopf, denn es kommt auf den Standpunkt an, wie der Apostel im ersten Korintherbrief feststellt: „Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft. In der Schrift steht nämlich: Ich werde die Weisheit der Weisen vernichten und die Klugheit der Klugen verwerfen. Wo ist ein Weiser? Wo ein Schriftgelehrter? Wo ein Wortführer in dieser Weltzeit? Hat Gott nicht die Weisheit der Welt als Torheit entlarvt? Denn da die Welt angesichts der Weisheit Gottes auf dem Weg ihrer Weisheit Gott nicht erkannte, beschloss Gott, alle, die glauben, durch die Torheit der Verkündigung zu retten. Die Juden fordern Zeichen, die Griechen suchen Weisheit. Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten: für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit, für die Berufenen aber, Juden wie Griechen, Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das Törichte an Gott ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen.“ (1.Kor 1,18-25) Ein kritisches Hinterfragen des Gegebenen, hier des Mainstreams, können wir immer wieder bei Paulus beobachten (unter anderem auch im Römerbrief, wo er schreibt: „Und gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern lasst euch verwandeln durch die Erneuerung des Denkens“. (Röm 12,2)). Es geht aber nicht darum, den Verstand auszuschalten und einfach nur gegen etwas zu sein, sondern es geht darum, das Gegebene zu reflektieren und zu analysieren, den Verstand zu benutzen und mit den Mitteln der Vernunft zu Erkenntnissen zu kommen, die sehr oft von anderen Menschen nicht gefunden und sogar abgelehnt werden. Es geht darum, über den Verstand hinaus zu denken. Und das sollte der Inhalt meiner Predigt sein: Das Kreuz ist dem Einen Torheit, dem Anderen Kraft und Stärke; es könnte aber allen Kraft und Stärke sein!



Man wundert sich, was da wohl gerade in dem Fass passiert ist...



Ob der Satz „credo quia absurdum est“, den ich auch als Überschrift für die Gedanken auf dieser Seite gewählt habe, tatsächlich dem Kirchenvater Tertullian zugeordnet werden darf, was man immer wieder so gerne macht, ist fraglich. Im „Liber de carne Christi“ formulierte Tertullian aber auf jeden Fall den sehr ähnlichen Satz: „Et mortuus est dei filius; prorsus credibile est, quia ineptum est. Et sepultus resurrexit; certum est, quia impossibile est.“ (Und gestorben ist der Sohn Gottes; völlig glaubhaft ist das, weil es töricht ist. Und der Bestattete ist auferstanden; das ist wahr, weil es unmöglich ist.) Tertullian setzt hier auch das Werkzeug des Skeptizismus ein und stellt fest - da es für Gott unmöglich ist zu sterben (weil es sich bei einem der stirbt nicht um Gott handeln kann) - ist diese Aussage so ineptum (albern, schwachsinnig, unmöglich), dass sie nur wahr sein kann. Und weiter: Ein Toter ist auferstanden; damit ist (wie ich in der Predigt frage) tot nicht tot? Diese Aussage ist dermaßen impossibile (unmöglich), das sie nur wahr sein kann.

In meiner Predigt sage ich, dass das Weinwunder da in der Heiligen Schrift so steht, weil es so geschehen ist. Das ist leider heute für ganz viele Menschen ein sehr provokanter Ansatz, aber ein sehr nötiger. Das Glauben an das Weinwunder ist kein kindlicher Glaube, keine infantile Illusion, es ist in einer Zeit der Glaubensfeindlichkeit ein Wagnis, ein Sich-Einlassen, ein Experiment, etwas, was man durchdenken muss, um sich nicht vor sich selber lächerlich zu machen. Ich zeige einige andere Wunder auf und erörtere das Kettenproblem, das mit dem Bezweifeln eines Wunders einher geht. Obwohl also der Dogmatiker in mir viel lieber den Katechismus ziehen würde, versuche ich es anders. Es muss nun noch die Frage geklärt werden: Ist mein Versuch purer Fideismus, also das Gegenstück zum Rationalismus? Wird hier einem blinden Glauben Vorrang vor der Vernunft gewährt? Wird damit dem heiliggesprochenen Papst Johannes Paul II widersprochen, der in seiner Enzyklika „Fides et ratio“ ein Verhältnis von Glauben und Vernunft aufbaute und erklärte? Glaube und Vernunft sind die zwei zusammengehörenden Flügel, die wir brauchen, um sicher die Wahrheit erkennen zu können. Und aus meiner Sicht bedarf es einer reiflichen Reflektion, um zu solcher Erkenntnis zu kommen; diese Reflektion zeige ich auf. Beide Flügel lasse ich in meiner Predigt schwingen. Zuerst lasse ich pure und wunderablehnende Vernunft zu Worte kommen und streite das Weinwunder ab. Das kann nicht sein, weil es unmöglich ist. Dann lasse ich den Glauben zu Wort kommen und erlaube den beiden, miteinander einen Diskurs zu führen und gehe über die Realität meines Seins auf das Zusammenspiel von Glauben und Vernunft ein, um am Ende zu zeigen, dass eine Lösung zu solch einem Problem nur in diesem Zusammenspiel zu finden ist. Und mit der am Anfang der Predigt gestellten Frage, ob der Hörer schon einmal darüber nachgedacht hat, wahnsinnig werden zu wollen, stelle ich eine Provokation in den Raum, die (hoffentlich) wachrüttelt, denn wer will schon wahnsinnig werden? Mit dem nächsten Satz, dass es mir mit solchen Überlegungen öfter so geht, entspanne ich das Klima aber sofort und wecke Interesse - und es hat offensichtlich funktioniert. Ein Zuhörer fragte mich beim Verabschieden: „Haben sie es gehört während ihrer Predigt? Es war mucksmäuschenstill, nicht einmal ein Husten war zu hören...“



Über die hl. Barbara, die mit der hl. Anna die Schutzheilige des Bergbaus ist, muss man im Ruhrgebiet noch nicht all zu viel erzählen. Wie hier dargestellt, fanden sich Figuren der hl. Barbara auch unter Tage.
Lieber Herr Fudali, vielen Dank für Ihre großartigen Kunstwerke!





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e-mail: Ulrich Franzke <diakon@franzke-bochum.de>