Jesus bei Maria und Marta

16. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr C





In jener Zeit kam Jesus in ein Dorf. Eine Frau namens Marta nahm ihn gastlich auf. Sie hatte eine Schwester, die Maria hieß.
Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu.
Marta aber war ganz davon in Anspruch genommen zu dienen. Sie kam zu ihm und sagte:
Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt? Sag ihr doch, sie soll mir helfen!
Der Herr antwortete:
Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen. Aber nur eines ist notwendig. Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden.







Liebe Schwestern und liebe Brüder,

der Diakon soll ab und zu, aber regelmäßig die Predigt halten. Nach meiner Weihe hatte ich noch den Novizenschutz und durfte mir die schönen und einfachen Evangelien aussuchen. Letztes Jahr traf Propst Plantzen mit mir dann die Vereinbarung, dass ich an jedem dritten Sonntag im Monat mit der Predigt zu dem entsprechenden Sonntagsevangelium dran sei. Und da gab es seit diesem Zeitpunkt Abschnitte oder Kapitel des Evangeliums, die einfach waren und bei denen der Text der Predigt auf der Hand lag, da gab es dann aber auch welche, die sperrig und nicht so einfach waren. Und heute ist es ein Text, der mich schon sehr oft zum Denken angeregt hat und der mir dadurch sehr wertvoll und wichtig geworden ist: die Begegnung Jesu mit den beiden Schwestern Maria und Marta.

Liest man über das heutige Evangelium in den entsprechenden Kommentaren, finden sich dort verschiedene Aussagen und insgesamt scheint es, als würde der heutige Text oft als sperrig, kompliziert und in sich nicht logisch angesehen. Es treffen nämlich zwei Haltungen aufeinander, die beide wertvoll und gut sind, die aber in diesem Evangelium als Gegensätze aufgezeigt werden.

Da sind die zwei Frauen, Marta und Maria. Marta hat Jesus in das Haus eingeladen und gastlich aufgenommen. Sie kümmert sich um Jesus, versorgt ihn, „war ganz davon in Anspruch genommen [Jesus] zu dienen“. Und ihre Schwester „Maria setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu“. Beides, der Dienst für Jesus und das Hören auf die Worte Jesu sind gut, sind auf jeden Fall nachahmenswert. Und dann kommt der Versuch, beides gegeneinander auszuspielen, durch Martas Klage „Herr, kümmert es dich nicht, dass meine Schwester die Arbeit mir allein überlässt“?

Liebe Brüder und liebe Schwestern, wie hätten sie sich verhalten in der Rolle der Marta, die Jesus dient und bedient, ihn versorgt und die ganze Arbeit macht, während ihre Schwester Maria sich zu Jesus setzt und ihm zuhört? Wie hätte ich mich verhalten als Marta? Ich habe mir diese Frage schon oft gestellt.

Oder wie hätten sie sich in der Rolle der Maria verhalten, wenn ihre Schwester Marta sie anklagen würde, dass sie die ganze Arbeit alleine machen muss? Wie hätten sie sich in einer der Rollen verhalten? Da ist der Dienst für Jesus, der ganz wichtig ist, denn ohne die Versorgung wäre auch kein Hören auf seine Worte möglich gewesen. Und da ist das Hören, dass doch mit dem schlechten Gewissen verbunden sein könnte, jemanden anderes die ganze Arbeit machen zu lassen. Die Arbeit, die doch gemacht werden muss, um diesem Gast zu dienen. Aber die Worte dieses Gastes sind doch so wichtig.

Ich habe immer wieder darüber nachgedacht, wie ich mich in welcher Rolle verhalten hätte. Ich habe immer wieder versucht, eine Entscheidung zu treffen. Welche Handlung ist wichtiger, das Dienen oder das Zuhören? Gott in der Person Jesu Christi dienen oder ihm zuhören? Was ist hier wichtiger? Mich hat es aber dann auf eine ganz andere Frage gebracht, denn der Konflikt ist hier zu groß und für mich unlösbar. Dem heiligen Benedikt wird der Satz „Ora et labora“, bete und arbeite in den Mund gelegt. Im Übertragenen finden wir beides bei Marta und Maria. Und wenn das dienen und zuhören so gleichwertig sind, so stellt sich mir die Frage, liebe Schwestern und liebe Brüder: Was ist wirklich wichtig? Was ist in diesem Leben wirklich wichtig? Jesus kritisiert Marta nicht dafür, dass sie die Arbeit macht, er sagt nur, Maria hätte den besseren Teil gewählt. Dadurch, dass er auch noch ihren Namen wiederholt und „Marta, Marta“ sagt, beschwichtigt er. Und so ist es eine ganz andere Frage, die Jesus in diesem heutigen Sonntagsevangelium aufwirft: Was ist wirklich wichtig?

Aus meiner Sicht wird die Frage noch viel drastischer, wenn man einen Blick auf sein eigenes Leben wirft. Es war doch gerade erst vor einer Woche, als ich noch im Sandkasten gespielt habe, es war doch gerade erst vor einer Woche. Und es war erst vorgestern, als ich in die Schule gekommen bin und Lesen und Schreiben gelernt habe. Ich weiß es ganz genau, es war doch erst gestern, als ich mit meinem Studium begonnen habe. Und heute stehe ich hier am Ambo und halte die Sonntagspredigt. Einen ganz kurzen Augenblick lang stehe ich hier, es ist jetzt eigentlich schon Vergangenheit. Das Leben rast weiter und ich kann die Zeit nicht anhalten. Und wenn ich mich mit meiner ganzen Kraft dagegen stemmen würde, ich kann es nicht. Die Zeit vergeht und ich werde älter und älter und schon morgen werde ich auf meinem Sterbebett liegen und vielleicht schenkt mir der gnädige Gott dann noch den Moment, über mein Leben nachzudenken. Vielleicht erlaubt mir der barmherzige Gott, dann noch eine Antwort zu finden auf die Frage: Was ist in diesem Leben wirklich wichtig? Vielleicht aber auch nicht. Also sollte ich mir diese Frage schon heute, schon jetzt stellen und eine Antwort suchen.

Liebe Brüder und liebe Schwestern, erinnern sie sich auch noch an vorgestern, als sie in die Schule gekommen sind? Und an letzte Woche, als sie noch im Sandkasten gespielt haben? Und jetzt in diesem ganz kurzen Moment sitzen sie hier in dieser Kirche – und morgen ? Was ist wirklich wichtig? Ist es wichtig, was für ein Auto ich fahre? Ist es wichtig, ob ich Eigentümer eines Eigenheimes bin? Ist es wichtig, ob ich mir einen Luxusurlaub leisten kann? Ist es wichtig, ob ich mir überhaupt irgend etwas leisten kann oder nicht? – Oder ist es nicht viel wichtiger, Gott zu dienen und auf sein Wort zu hören? Genauso, wie es Maria und Marta gemacht haben? Vielleicht auch noch, ohne sich über die eigene Situation zu beschweren?

Ist es nicht, wie auch der hl. Benedikt sagt, das Wichtigste im Leben, alles Unwichtige in den Hintergrund zu drängen und es als solches zu erkennen, um der Liebe zu unserem Herrn und Erlöser Jesus Christus nichts vorziehen? Gott lieben zu lernen und als das Wichtigste im Leben anzuerkennen, ist das nicht das Wichtigste? Marta und Maria sind beide auf dem richtigen Weg: Ora et labora. Kontemplation und Aktion. Zwei Wege zu Gott, die man auch zu einem zusammen fassen kann: Gott, unseren Schöpfer anhören, ihn anbeten, ihn verehren und – ihm dienen. Maria und Marta in einer Person sein. Liebe Brüder und liebe Schwestern, demnächst, den dritten Sonntag im August sind meine Familie und ich auch im Urlaub. Ich werde ganz intensiv das Gebet pflegen und mir die Benediktsregel mitnehmen. Und ich werde die Urlaubszeit nutzen und über die Frage nachdenken: Was ist in meinem Leben wirklich wichtig.











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e-mail: Ulrich Franzke <diakon@franzke-bochum.de>