In jener Zeit sagte Jesus seinen Jüngern durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten:
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Ulrich Franzke <diakon@franzke-bochum.de>
In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm.
In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte:
Verschaff mir Recht gegen meinen Widersacher!
Und er wollte lange Zeit nicht. Dann aber sagte er sich:
Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; weil mich diese Witwe aber nicht in Ruhe lässt, will ich ihr Recht verschaffen. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.
Der Herr aber sprach:
Hört, was der ungerechte Richter sagt! Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern bei ihnen zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen.
Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?
Liebe Schwestern und liebe Brüder,
gerade haben wir das Evangelium dieses 29. Sonntags im Jahreskreis gehört – aber haben sie es noch im Kopf? Was haben sie sich von diesem Evangelium gemerkt? Ich frage sie das, weil ich an mir eine merkwürdige Beobachtung machte: Meistens mache ich mich Anfang des Monats an die Arbeit und beginne das Schreiben der Predigt für den dritten Sonntag, das mit dem Lesen des Evangeliums beginnt – so auch diesen Monat. Ich habe das Evangelium gelesen und mir sind der erste und der letzte Satz im Kopf geblieben, das dazwischen fehlte. Also habe ich, mit dem Vorsatz der größeren Aufmerksamkeit auf den Mittelteil das Evangelium nochmal gelesen und wieder war da der gleiche Effekt. Hängengeblieben sind bei mir der erste und der letzte Satz, also die Aufforderung allezeit und ohne Unterlass zu beten und die Frage: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“ Erst beim dritten Lesen kam der Mittelteil in meinen Kopf und auch da hatte ich Probleme, nicht am ersten Satz hängen zu bleiben und erst vom letzten Satz wieder aus meinen Gedanken gerissen zu werden. Ich halte den ersten Satz für immens wichtig: Jesus fordert uns in dem heutigen Evangelium auf zu beten. Zu Gott zu beten, allezeit und ohne nachzulassen.
In der hl. Messe am ersten Tag der Diakonenausbildung 2011 in Köln hielt der damalige Kölner Generalvikar und jetzige Erzbischof von Hamburg Heße die Predigt und sagte darin, dass wir daran arbeiten sollen, dass unser Leben ein einziges Gebet werde. Aber was ist Beten eigentlich? Das Aufsagen von gelernten Texten? Das Abspulen des Vaterunsers? Das Runterleiern eines Ave Marias? Oder gehört da noch mehr dazu? Und weshalb sollen wir beten, warum rät Jesus uns das? Braucht Gott etwa unser Gebet? Hat Gott ein Gebetsdefizit? Aber was wäre das für ein Gottesbild, wenn unser Schöpfer, der Allmächtige und Ewige, der alles und der auch uns aus dem Nichts erschaffen hat, unseres Gebetes bedürfte? Gott braucht unser Gebet nicht. Warum aber legt es uns Jesus so nahe, zu beten; allezeit zu beten und darin nicht nachlassen? Und wie geht Beten eigentlich? Was ist Beten? Was ist ein persönliches Gebet? Diesen Fragen, liebe Brüder und liebe Schwestern, möchte ich heute mit ihnen nachgehen und das aus dem ganz einfachen Grund, weil mich letztens jemand angesprochen hat und mich fragte: „Wie geht Beten eigentlich, ich kenne keine Gebete, ich kann nicht Beten.“
Dabei ist die Lösung doch so einfach, so einfach das sie vielen gar nicht mehr kommt: Gebet ist Sprechen mit Gott. Gebet ist Gott in das Leben zu integrieren und am Leben Anteil haben zu lassen. Und das nicht nur mit fertigen Gebetstexten, sondern auch mit den eigenen Worten. Gott ist unser Schöpfer, er kennt, wie es im Psalm heißt, schon unsere Worte, bevor wir sie gesprochen haben. Er kennt unser Innerstes, er kennt uns ganz und gar. Und deshalb dürfen wir ihm auch alles sagen, was in unserem Leben geschieht und was uns bewegt. Er will es sogar von uns hören, nicht er will es herausbekommen, er will es von uns hören. Und deshalb dürfen wir nicht nur, wir sollen ihm sogar alles sagen. Unser Leid, unsere Trauer, unseren Schmerz, unsere Bitten, unsere Klage, sogar unsere Anklage. Alles, was uns belastet und nieder drückt dürfen wir ihm vor die Füße werfen. Aber, liebe Brüder und liebe Schwestern, es darf nicht dabei bleiben, ihm nur das Negative zu übergeben. Wir sollen Gott an unserem ganzen Leben teilhaben lassen und da gibt es auch Freude und Wärme, Licht und Verbundenheit, Nähe und weiteres Schönes. Deshalb sollen wir ihm auch unseren Dank sagen, immer und immer wieder. Deshalb sollen wir ihn lobpreisen, denn er ist unser Schöpfer. Wir sollen ihm unser Vertrauen und unsere Liebe ausdrücken. Unterschätzen Sie die Wichtigkeit des Dankens nicht, denken Sie nur an das Evangelium von letzter Woche, als zehn Aussätzige geheilt wurden und nur einer zu Jesus zurück kam und Dank sagte, nur einer sagte Dank: Wie können dort die Worte Jesu verstanden werden, als er sagte: „Dein Glaube hat dich gerettet.“ oder anders gefragt, was ist mit den anderen neun Undankbaren aber Geheilten geschehen mit Blick auf den Ort, an dem sie ihre Ewigkeit verbringen werden? Deshalb sollen wir nicht nur fordern und nehmen, sondern auch immer wieder danken und lobpreisen. In dieser Art habe ich auf die Frage geantwortet, wie Beten eigentlich gehen würde.
Beten ist sprechen mit Gott, ist sprechen mit Jesus, wie Don Camillo es in den Filmen getan hat. Don Camillo hat den Jesus am Kreuz über dem Altar immer wieder angesprochen und hat auch Antwort von ihm erhalten. Und auch wir können Antworten von Gott erhalten. Im Schott Messbuch steht dazu: „Beten ist unbequem und bringt außerdem ein gewisses Risiko mit sich. Denn im Gebet vernehmen wir unweigerlich die Stimme unseres Gewissens, das uns sagt, was wir tun oder nicht tun sollten.“ Wer betet, muss auch mit Antworten rechnen und damit umgehen können, denn manche dieser Antworten können einem im ersten Moment nicht gefallen, so wie auch Don Camillo mit mancher Antwort erst einmal sehr unzufrieden war.
Liebe Schwestern und liebe Brüder, probieren sie es doch einfach mal aus, Gott immer und immer wieder an ihrem Leben Anteil haben zu lassen und ihm immer wieder zu erzählen, was gerade in ihnen geschieht, was sie denken, wie sie sich fühlen. Und vergessen sie in den guten Momenten nicht das Danken. Und wenn sie nicht wissen, was sie Gott sagen sollen, versuchen sie doch mal das Herzensgebet, das Anrufen Jesu Christi mit den Worten: „Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, erbarme dich unser“ – immer und immer wieder, den ganzen Tag. Und wenn ihnen das Herzensgebet zu lang ist, versuchen sie es mit einer Kurzfassung: „Herr Jesus Christus, hilf“ und wenn ihnen das auch noch zu lang ist, dann rufen sie nur seinen Namen: „Jesus“, immer und immer wieder.
Ich möchte nun noch einmal auf das Schott-Messbuch kommen und den Wiener Kardinal König zitieren: „Das Wichtigste aber ist, regelmäßig zu beten und nicht aufzugeben. Und verlass dich darauf, dein Beten wird gelingen und wirksam sein! Es ist nie vergeblich. Alle unsere Gebete werden beantwortet, wenn auch oft auf unvorhergesehene Weise und zu unverhoffter Zeit.“
Lassen sie mich ihnen noch einen kleinen Nebeneffekt meines Gebetslebens erzählen: Mein Weg zur Arbeit, den ich so oft es geht mit dem Fahrrad zurück lege, dauert genau zwei Rosenkränze und zehn Erzengelmichael-Gebete, sowie ein Vaterunser und ein Ave Maria in den Anliegen des heiligen Vaters oder für unsere Bischöfe. Und sehr oft nutze ich die Fahrzeit für das Gebet. Ich habe einen kleinen Finger- oder Zehner-Rosenkranz, der beim Fahrradfahren hervorragend auch mit Handschuhen genutzt werden kann. Ich bete beim Fahrradfahren ganz leise, bewege aber dennoch die Lippen dabei. Und irgendwann fingen die Menschen, an denen ich morgens vorbei fuhr, an, mich zurück zu grüßen. Sie sehen mich und sehen meine Lippenbewegungen und grüßen, da unterbreche ich inzwischen auch das Gebet für ein kurzes „Guten Morgen“. Auch das ist ein herrlicher Effekt des Gebetes.
Jetzt ist aber immer noch die Frage im Raum, warum wir beten sollen. Liebe Brüder und Schwestern, ganz einfach: Um Gott kennenzulernen und unser Verhältnis zu Gott auszubauen. Ein Verhältnis zu Gottvater, zu Jesus Christus oder zum Heiligen Geist kann ich nur dann aufbauen, wenn ich mich mit Gott auseinander setze, wenn ich mich ihm hingebe, wenn ich seine Majestät und unendliche Größe annehme und seine Unvorstellbarkeit und Unbegrenztheit akzeptiere; einfach wenn ich ihn als das unendliche Geheimnis geschehen lasse, das er ist. Und wenn ich mir das Staunen über ihn wieder erlaube, so wie nur Kinder noch staunen können. Und das mache ich im Gebet.
Jetzt sollte nur noch die Frage da sein, warum ich mein Verhältnis zu Gott auf- und ausbauen sollte:
Ich glaube ganz fest daran, dass ich im Moment meines Sterbens, in dem Moment des Überganges vom Leben in den Tod meinem Schöpfer begegnen werde.
Jesus Christus wird dann da sein und auf mich warten.
Und wie er dem Petrus am See von Tiberias dreimal die Frage gestellt hat:
„Liebst du mich?“ so wird er, so glaube ich, auch mir diese Frage
stellen. Und es wird meine Seele sein, die in diesem Moment antworten wird,
ganz ehrlich antworten wird, ohne lügen zu können. Und die Antwort
könnte entscheidend über den Ort sein, an dem ich meine Ewigkeit
verbringen werde! Nur meine Antwort könnte über diesen Ort
entscheiden. Und wenn ich an meinem Gottesverhältnis gearbeitet habe,
wird meine Seele auf die Frage „Liebst du mich?“ ein klares
„Ja“ sagen, sie wird gar nichts anderes sagen können. Und wenn ich nicht daran gearbeitet habe, weil mir anderes in meinem Leben wichtiger war, weil ich andere Götter und Götzen hatte und dem Mammon verfallen war, wird meine Seele vielleicht noch ein „ich weiß es nicht“ oder ein „ich würde gerne“ zustande bringen. Und wenn ich mich in meinem Leben gegen Gott aufgelehnt und ihn abgelehnt und bekämpft habe, dann wird meine Seele nur ein „Nein“ zustande bringen. Und diese meine Antwort könnte darüber entscheiden, wo ich meine Ewigkeit verbringen werde.
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