Wenn ihr standhaft bleibt,
werdet ihr das Leben gewinnen

33. Sonntag im Jahreskreis Lesejahr C






Lesung aus dem Buch Maleachi (Mal 3, 19–20b)
Seht, der Tag kommt, er brennt wie ein Ofen: Da werden alle Überheblichen und alle Frevler zu Spreu und der Tag, der kommt, wird sie verbrennen, spricht der Herr der Heerscharen.
Weder Wurzel noch Zweig wird ihnen dann bleiben.
Für euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen und ihre Flügel bringen Heilung.







Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas (Lk 21, 5-19)
In jener Zeit, als einige darüber sprachen, dass der Tempel mit schön bearbeiteten Steinen und Weihegeschenken geschmückt sei, sagte Jesus: Es werden Tage kommen, an denen von allem, was ihr hier seht, kein Stein auf dem andern bleibt, der nicht niedergerissen wird.
Sie fragten ihn: Meister, wann wird das geschehen und was ist das Zeichen, dass dies geschehen soll?
Er antwortete:
Gebt Acht, dass man euch nicht irreführt! Denn viele werden unter meinem Namen auftreten und sagen: Ich bin es! und: Die Zeit ist da. – Lauft ihnen nicht nach! Wenn ihr von Kriegen und Unruhen hört, lasst euch nicht erschrecken! Denn das muss als Erstes geschehen; aber das Ende kommt noch nicht sofort.
Dann sagte er zu ihnen:
Volk wird sich gegen Volk und Reich gegen Reich erheben. Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben; schreckliche Dinge werden geschehen und am Himmel wird man gewaltige Zeichen sehen.
Aber bevor das alles geschieht, wird man Hand an euch legen und euch verfolgen. Man wird euch den Synagogen und den Gefängnissen ausliefern, vor Könige und Statthalter bringen um meines Namens willen.
Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können. Nehmt euch also zu Herzen, nicht schon im Voraus für eure Verteidigung zu sorgen; denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, sodass alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können. Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern und manche von euch wird man töten. Und ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden.
Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden. Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.







Liebe Schwestern und liebe Brüder,

ein Ereignis hat mich mehrere Wochen denkend und betroffen gemacht und davon berichte ich Ihnen jetzt. Nach meiner vorigen Predigt vor vier Wochen – vielleicht erinnern sie sich noch, es ging um das Beten – als ich zum Verabschieden draußen vor der Kirche an der Tür stand und gerade dachte, dass jetzt wohl niemand mehr kommen würde, kam doch noch eine Frau auf mich zu und ihr erster, energisch gesprochener Satz war: „Glauben sie wirklich an die Hölle?“ Und dann ließ sie mir einen kurzen Moment Zeit, viel zu kurz, denn in meinem Kopf rotierte es schon: „Glaube ich an die Hölle? Nein, ich glaube an Gott, ich glaube an Jesus Christus, ich glaube nicht an die Hölle. Aber ich glaube an die Existenz der Hölle. Ich glaube daran, dass es eine Hölle gibt und ich kann nichts über ihren Füllstand aussagen.“ Ich versuchte etwas zu antworten, aber bevor ich einen dieser Gedanken richtig in Worte fassen konnte, sagte die Frau zu mir: „Sie machen den Leuten Angst!“ und das brachte meinen Kopf wieder in Bewegung. Mein nächster und sehr betroffener Gedanke war, dass ich niemandem Angst machen, sondern bloß zum Denken anregen möchte, denn Angst ist etwas sehr schlimmes und so fragte ich mich: „Müssen wir Angst haben vor der Hölle? Habe ich Angst vor der Hölle?“ Und dann kam mir ein Gespräch mit dem Erfurter Prof. Georg Hentschel in den Kopf, das ich vor vielen Jahren hatte und der damals den sehr interessanten und denkenswerten Satz sagte: „Ohne Angst funktioniert Religion nicht!“ Nach einer weiteren kurzen Pause, einen richtigen Satz konnte ich noch immer nicht ausführen, fügte die Frau noch hinzu: „Ich glaube nicht an die Hölle!“

Diese drei Sätze, liebe Brüder und liebe Schwestern, die die Frau mir gesagt hatte und für die ich so gerne sehr viel mehr Zeit gehabt hätte, fingen in meinem Kopf an zu wirken, als hätte da jemand gesagt: „Glauben sie, Herr Diakon, wirklich an den Tod? Ich glaube nicht an den Tod!“ – als wenn nicht sein kann, was nicht sein darf! Und dann ging sie und ließ mich allein, sie ließ mich einfach stehen mit halb ausgesprochenen Sätzen, einem Kopf voller Fragen, Überlegungen und Gedanken und einem sehr betroffenen Grundgefühl. Und diese Gedanken haben weiter gewirkt, haben mich bewegt und ich sprach mit Mitbrüdern über das Geschehene und mit Freunden und in der Familie. Ich führte diese Gespräche auch, weil ich in einem Kommentar im Messbuch zum heutigen Evangelium die Warnung fand, dass ein falscher Umgang mit den Zeichen dazu führen kann, „das ewige Heil zu verfehlen“.

Endzeitlich, liebe Brüder und liebe Schwestern, endzeitlich könnte man die Texte des heutigen Sonntags empfinden. Die Lesung aus dem Buch Maleachi kündigt an, dass der Tag kommt und die Überheblichen und die Frevler verbrennen werden. Da stellt sich mir ganz automatisch die Frage, ob vielleicht auch ich zu diesen Überheblichen und Frevlern gehöre; und das macht auch mir Angst. Das heutige Evangelium berichtet von Zeichen, die wir jetzt schon sehen können: Wir haben Kriege und Unruhen, Volk erhebt sich gegen Volk, es gibt Erdbeben, Seuchen und Hungersnöte und die Christenverfolgung ist auf einem Höchststand. Ist das die Endzeit? Kommt jetzt das Ende? Für die Juden vor 2.000 Jahren war die Ankündigung der Zerstörung des Tempels, wie Jesus sie heute machte, absolut endzeitlich. Deshalb fragten die Jünger: „Meister, wann wird das geschehen?“ Jesus gibt darauf eine Warnung, die aber auch als Aufruf zur Gelassenheit gelesen werden kann, wenn er sagt: „Gebt Acht, dass man euch nicht irreführt!“ und „Lauft ihnen nicht nach!“ Und darauf baut der schon erwähnte Kommentar auf, wenn er aus dem Text „Gaudium et Spes“ des zweiten Vatikanums zitiert: „Den Zeitpunkt der Vollendung der Erde [...] kennen wir nicht. [...] Die Wahrheit verfehlen die Christen, die meinen, sie könnten ihre irdischen Pflichten vernachlässigen, weil wir hier ja keine bleibende Stätte haben. Sie verkennen, dass sie durch den Glauben erst recht aufgerufen sind, ihre Pflicht zu erfüllen. Ein Christ, der seine irdischen Pflichten vernachlässigt, versäumt damit seine Pflichten gegen den Nächsten, ja gegen Gott selbst und bringt sein ewiges Heil in Gefahr.“

Liebe Brüder und liebe Schwestern, da ist also einiges in letzter Zeit gewesen, das Gespräch mit der Frau über die Hölle vor vier Wochen und das heutige Evangelium. Das, was dann in meinem Kopf passierte, kann ich auf eine Frage zusammen führen: „Gibt es eine Hölle und müssen wir vor der Hölle Angst haben?“ Ich äußere meine Gedanken trotz meiner Befürchtung, dass es dann Menschen geben könnte, die auf die Frage, was der Diakon denn heute gepredigt habe, antworten könnten: „Wie immer, es ging über die Hölle – oder über den Rosenkranz!“

Die Existenz der Hölle, liebe Schwestern und liebe Brüder, ist für die Katholische Kirche eine schmerzliche Glaubenswahrheit. Gerade unser jetziger Papst Franziskus betont mindestens einmal in der Woche die Existenz der Hölle und warnt davor. Und seine beiden Vorgänger haben es genauso gemacht. Dennoch: Über die Hölle wird heute nicht mehr gerne geredet. Vielleicht aus Angst, jemanden zu verschrecken, vielleicht aus Furcht, dass doch sehr oft derjenige, der die schlechte Nachricht überbringt erschlagen wird. Ich glaube an die Existenz einer Hölle. In einer Prüfung in meinem Studium antwortete ich auf die Frage, was denn die Hölle sei, mit dem einfachen Satz: „Die Hölle ist der Ort der größtmöglichen Gottesferne!“ Und dieser Satz soll uns heute als Beschreibung der Hölle ausreichen. Ich glaube an die Existenz einer Hölle, weil Gott uns die Freiheit der Entscheidung gibt. Weil es zu einfach und zu wenig ist, nur vom „lieben“ Gott zu sprechen, weil unser Gott viel mehr, weil er auch ein fordernder Gott ist. Für mich besteht ein sehr großer Widerspruch darin, was um uns herum geschieht und dem Sprechen nur vom „lieben“ Gott. Ich sehe Gott als fordernd, er fordert von uns eine Entscheidung, die einfache und ganz freie Entscheidung – für Gott oder für Gottesferne. Deshalb glaube ich an und fürchte – die Existenz einer Hölle. Nicht an die Existenz der Hölle zu glauben halte ich für sehr gefährlich und verweise an dieser Stelle noch einmal auf die vielen Aussagen unseres Heiligen Vaters zu diesem Thema. Das Heil, unser Heil ist bei Gott. Sein eigenes und ewiges Heil in Gefahr zu bringen bedeutet ganz einfach damit zu spielen, seine Ewigkeit nicht bei Gott zu verbringen; nicht mehr und nicht weniger.

Und habe ich Angst vor der Hölle? Angst ist ein schlechter Ratgeber, so sagt ein Sprichwort. Angst ist etwas sehr schlimmes. Wir alle kennen Angst, vielleicht erinnern sie sich an ihren letzten Zahnarztbesuch, sowas macht mir immer Angst. Oder Angst vor dem Ergebnis der letzten Englischarbeit, Angst vor dem Gespräch mit dem Vorgesetzten, Existenzangst. Angst vor dem Ergebnis des Bluttests, oder, oder, oder. Ich muss sicher keine weiteren Beispiele nennen, wir alle kennen und fürchten die Angst. Angst ist etwas ganz schlimmes. Ich erinnere mich an einen Besuch bei meinem Hausarzt, der an mir eine kleine Operation vornehmen wollte. Da lagen seine Werkzeuge. Ein Vereisen zur Betäubung, so meinte er, würde ausreichen – doch ich hatte Angst, echte Angst. Und als ich ihn, der da gerade seine Folterwerkzeuge sortierte, mit Panik in den Augen fragte, ob das denn jetzt weh tun würde, da lächelte mich der Mann an uns sagte nur: „Mir nicht!“ Angst ist etwas ganz schlimmes.

Habe ich Angst vor der Hölle? Nein! Ich habe Respekt vor der Hölle, ich habe keine Angst vor ihr. Angst muss ich nur vor mir selber haben, wenn sich mein Denken von Gott entfernt. Denn Angst ist auch überlebenswichtig, ohne die Angst unserer Vorfahren vor dem Säbelzahntiger würde es heute keinen Menschen mehr geben. Angst macht uns vorsichtig. Und wenn ich merke, dass ich Angst vor etwas habe, dann ist da dringender Handlungsbedarf, dann läuft da gerade etwas schief, dann muss ich etwas tun. Ich muss dann ganz schnell etwas tun, weil der Normalzustand des Lebens doch die Angstfreiheit sein sollte und Angst etwas ist, was ich in meinem Leben so wenig wie möglich haben möchte. Wenn ich merke, dass ich Angst vor der Hölle habe, dann sollte ich viel eher merken, dass da gerade in meinem Verhältnis zu Jesus Christus etwas nicht stimmt. Dann könnte ich mich vielleicht etwas mehr dem Gebet widmen, dann darf ich Gott dringend um Hilfe anrufen, dann ist da die Hand meines Begleiters, des Heiligen Geistes, die ich einfach ergreifen und mich wieder führen lassen kann, so verspricht es Jesus.

Und jetzt, liebe Brüder und liebe Schwestern, spannen wir wieder den Bogen zurück zum heutigen Evangelium, das in keiner Weise endzeitlich und angstmachend, sondern eine absolut frohe Botschaft ist; Jesus selber sagt es uns: Trotz allem, was auf uns zukommt, was wir erleben und was um uns herum geschieht, sollen wir uns nicht erschrecken lassen sondern zuversichtlich sein. Wir sollen standhaft bleiben, auf Gott vertrauen, denn er ist für uns da. Wir sollen den Weg weiter gehen, den Weg zum Heil, den Weg zum ewigen Heil. Wir dürfen auf Gott vertrauen, uns vom Heiligen Geist führen lassen und die Liebe des Schöpfers zu uns mit Liebe zu ihm und unseren Mitmenschen, in denen wir ihm begegnen können, beantworten. Wir sollen auf Jesus Christus vertrauen, denn er wird uns dann sogar die Worte geben, die wir brauchen, um Zeugnis für ihn abzulegen; die Worte, die wir sagen sollen, um gegen unsere Gegner bestehen zu können.

Und dann auch wird der Diábolos (Διάβολος), der Durcheinanderwerfer, wie der Teufel auch genannt wird, keine Macht mehr haben. Und wenn wir um des Namens Jesu Christi Willen gehasst werden, sollen wir den Weg einfach weiter gehen, denn, so sagte Jesus heute: „Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden. Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.“

Liebe Schwestern und liebe Brüder, die Existenz der Hölle muss man nicht verleugnen, weil man keine Angst vor ihr haben muss, weil Gott nicht nur unser Schöpfer und Richter, sondern unser Retter, unser Erlöser und unser Beistand ist, weil Gott ein liebender Vater ist. Seine Liebe zu uns ist so groß, dass er seinen Sohn für uns geopfert hat. Seine Liebe zu uns ist so groß, dass er, trotz allem, was um uns herum geschieht und was wir selber immer wieder an Schlechtem machen, immer noch zu uns hält und uns liebt. Angst vor der Hölle muss man nicht haben. Angst vor der Hölle muss ich nicht haben, Angst muss ich nur vor mir selber haben, wenn ich merke, dass mein Schrei verstummt, mein Schrei: „Jesus Christus, sei bei mir, hilf mir!“ und vor allem mein Schrei: „Mein Gott, ich liebe dich!“










Eine Predigt über dir Hölle, darf das sein?

Eine Predigt über die Hölle, muss das sein? Darf man eine Predigt über die Hölle halten? Macht eine Predigt über die Hölle den Menschen nicht bloß unnötig Angst? Diese Fragen habe ich mir im Vorfeld gestellt und dann beschlossen, meine Predigt zu halten. Ich habe sie gehalten, weil sie nötig war. Aber: Habe ich wirklich eine Predigt über die Hölle gehalten? Habe ich von roten Teufeln mit schwarzen Haaren und Hörnern auf dem Kopf gesprochen? Habe ich davon gesprochen, dass arme Seelen, für immer verloren in einem Flammenmeer sitzen und mit spitzen Dreizacken gepiesackt werden? Nein. Das habe ich nicht! Ich habe meine Beschreibung der Hölle auf die einfache und theologisch unwiderlegbare Aussage beschränkt: „Die Hölle ist der Ort der größtmöglichen Gottesferne!“ Es ist also keine Predigt über die Hölle. Es ist eine Predigt, die die Angst vor der Hölle thematisiert und versachlicht. Damit will ich vor der Hölle warnen und ebenso Angst davor nehmen. Diese Versachlichung ist dringend nötig. Das hat mir eine Frau unserer Gemeinde bewußt gemacht, als sie mich vor unserer St.-Gertrudis-Kirche ansprach und mir mit einem einzigen Satz klar machte: Angst vor der Hölle ist bei den Menschen real! Der eine Satz, den sie mir anvertraute, lautete: „Herr Diakon, glauben Sie wirklich an die Hölle?“


Nein zur Hölle, weil nicht sein kann, was nicht sein darf?

Schön öfter ist mir aufgefallen, dass es zunehmend vielen Menschen leichter fällt, die Existenz der Hölle zu verleugnen, als sich mit ihr auseinanderzusetzen. Für uns sind Tod und Hölle etwas Grausames, dennoch gibt es beides. Die Hölle ist grausamer als der Tod, dennoch gibt es sie. Den Tod oder die Hölle zu leugnen, weil sie einem nicht passen, weil man Angst davor hat, ist ganz sicher der falsche Weg. Mich erschreckt es, wenn ich in Gesprächen die Relativierung und manchmal die Leugnung der Hölle erleben muss. Mich erschreckt es, wenn von einer allgemeinen Heilsgewissheit ausgegangen wird, wenn es dadurch egal scheint, wie man auf der Erde lebt, wie man sich verhält, wie man mit seinen Mitmenschen umgeht, wie man sein Verhältnis zu Gott gestaltet. Und mich erschreckt es ganz besonders, wenn diese Relativierung und Leugnung der Hölle durch Kleriker, Pastoralreferenten oder Gemeindereferentinnen geschieht, was ich ebenfalls schon erleben musste. Sicher werde ich darüber noch irgendwann schreiben.


Darf es dann aber einen Himmel geben?

Ich möchte, wenn schon die Hölle nicht sein kann weil sie nicht sein darf, doch dann einfach mal die Frage in den Raum werfen, warum es dann überhaupt einen Gott geben soll? Denn dessen Existenz, so könnte man meinen, ist doch genauso phantastisch und unmöglich, wie die Existenz einer Hölle und der Existenz des Durcheinanderwerfers, des Satans. Wenn es also keine Hölle geben darf, darf es dann überhaupt einen Gott geben? Die Vorstellung der Existenz eines Gottes ist doch mindestens eben so mittelalterlich und aus einer anderen Welt, wie die Vorstellung der Existenz einer Hölle - und passt doch überhaupt nicht in unsere (ach so) aufgeklärte Zeit. Das eine (Hölle und Teufel) schaffen wir also ab, das andere (Gott und Himmel) lassen wir bestehen. Erstmal. Dann kommt es auch weg. Hier beginnt eines unserer großen Probleme, auf das ich in meinem geistlichen (Vor-)Wort in den Wattenscheider Pfarrnachrichten zum Erzengel Michael im Februar 2018 schrieb: Ich sehe es als den größten Erfolg des Satans an, dass man seine Existenz heute (mehr und mehr) negiert.


Die Existenz der Hölle ist ein Dogma, eine grundlegende, unumstößliche Lehraussage!

„Alles Deuteln nützt nichts: Der Gedanke ewiger Verdammnis, der sich im Judentum der beiden letzten vorchristlichen Jahrhunderte zusehends ausgebildet hatte [...], hat seinen festen Platz sowohl in der Lehre Jesu […] wie in den Schriften der Apostel […]. Insofern steht das Dogma auf festem Grund, wenn es von der Existenz der Hölle […] und von der Ewigkeit ihrer Strafen […] spricht.“ schreibt Joseph Ratzinger / Papst Benedikt XVI in seinem Buch „Eschatologie“ (Ratzinger, Joseph; „Eschatologie - Tod und ewiges Leben“; S. 172 2. Aufl. 2012; Regensburg). Wer die Heilige Schrift und die Evangelien aufmerksam liest oder in der Heiligen Messe hört, wird feststellen, dass uns Jesus selber immer wieder und mit teilweise sehr drastischen Worten vor der Hölle und ihren Strafen warnt und zur Umkehr aufruft. Trotzdem gab und gibt es weiterhin und immer wieder Versuche, diesen Schrecken herunterzuspielen und abzumildern. Doch die Existenz der Hölle zu relativieren oder gar zu leugnen, relativiert und leugnet die Freiheit des Menschen und leugnet letztlich Gott! Mit der Existenz der Hölle als unumstössliche Wahrheit müssen wir leben, darauf müssen wir uns einstellen, damit müssen wir umgehen. „Die Lehre der Kirche sagt, dass es eine Hölle gibt und dass sie ewig dauert. Die Seelen derer, die im Stand der Todsünde sterben, kommen sogleich in die Unterwelt, wo sie die Qualen der Hölle erleiden...“ (siehe Katechismus der Katholischen Kirche 1035). Es ist ein völlig falscher Ansatz, die Existenz der Hölle zu leugnen. Vielmehr muss darüber gesprochen werden. Weshalb?


Ohne die Hölle gibt es keine Freiheit!

Gott hat den Menschen geschaffen, als Ebenbild Gottes hat er ihn geschaffen, als Ebenbild seiner selbst. Dieses Gottesbild zeigt nicht die Äußerlichkeit eines weißbärtigen Mannes sondern beinhaltet die Freiheit der Entscheidung. Wenn ich mir diese Ebenbildlichkeit vorstelle, dann habe ich kein Gottesbild, das ihn als weißbärtigen Mann mit Händen und Füßen darstellt. Dann sehe ich in der Ebenbildlichkeit vielmehr die Freiheit der Entscheidung. Wir Menschen haben von Gott die Freiheit der Entscheidung bekommen. Die Freiheit der Entscheidung für Gott oder - gegen Gott. Gott will von uns die freie Entscheidung für oder gegen ihn. Aber was wäre das für eine Freiheit, wenn sich jemand gegen Gott entscheidet und nach seinem Ableben zu Gott kommen müsste? Was wäre das für eine Freiheit, wenn der, der sich gegen Gott entscheidet, ihn dann nach seinem Sterben in alle Ewigkeit schauen und lobpreisen müsste? Die Leugnung der Hölle zieht die Leugnung der Freiheit nach sich, das wiederum leugnet die Liebe Gottes zu den Menschen, denn nur ein liebender Gott erlaubt dem Menschen die absolut und radikal freie Entscheidung, auch wenn diese Entscheidung gegen den ist, der diese Freiheit gewährt (wahre Liebe kennt eben keinen Besitz!). Die Leugnung der Hölle schafft also in letzter Konsequenz einen Gott, der die Entscheidung des Menschen nicht ernst nimmt und dadurch den Menschen selber nicht ernst nimmt: Kann solch ein Gott den Menschen lieben? Wieviel mehr liebt ein Gott den Menschen, der ihm, obwohl Gott jeden Menschen bei sich haben will, die Freiheit lässt zu ziehen? Der Allmächtige und Ewige ist eben dieser eine Gott, der dem Menschen diese Freiheit gibt, auch wenn er selber unter mancher Entscheidung des Menschen unsagbar leiden wird. Aber das ist die Liebe Gottes! Gott ist allmächtig, was er will, das tut er. Was Gott will ist gut, wir beten (möglichst mindestens dreimal pro Tag) im Vaterunser: „Dein Wille geschehe!“ Gott und sein Wille steht über allem und trotzdem hat er den Diabolos nicht vernichtet, sondern ihn zugelassen. Er hat ihn nicht vernichtet, obwohl es für ihn ein leichtes gewesen wäre. Er hat ihn existieren lassen. Warum eigentlich?


Wie mit der Hölle umgehen?

Wir dürfen die Existenz der Hölle nicht verschweigen oder gar verleugnen. Wir dürfen sie ebenso wenig zu einem Apparat der Machtausübung und zu einem Gängelungsinstrument machen. Auch wenn genau das geschehen sein mag oder vielleicht noch geschieht, wäre es töricht, deshalb die Hölle zu verschweigen oder zu verleugnen. Es ist die Aufgabe jedes gewissenhaften Klerikers auf ihre Existenz hinzuweisen. (Ich gehe davon aus, dass die Gnade der Weihe auch in eine besondere Verantwortung und damit in eine höhere Möglichkeit des Schuldigwerdens führt!) Es ist aber eine eigene, individuelle Entscheidung eines Menschen, wo er die Ewigkeit verbringen möchte. Mit der Hölle darf man nicht Angst machen – aber vor ihr warnen muss man. Gott liebt jeden Menschen und er will jeden Menschen bei sich haben. Die Chance, zu Gott zu kommen ist recht groß. Die Chance, dieses Ziel zu verfehlen allerdings auch, das hat Jesus uns mehrfach gesagt.


Glaube an die Hölle?

Ich glaube nicht an die Hölle. Ich glaube an Gott – und zwar ausschließlich. An die Hölle und an Satan zu glauben bedeutet, ihm zu folgen, ihm zu glauben. Das kann ich nicht, das will ich nicht, das mache ich nicht. Ich glaube ausschließlich an Gott, an den einen, dreifaltigen Gott. Ich vertraue auf seine Liebe, seine Barmherzigkeit und seine Zusagen, die er uns in seinem Sohn Jesus Christus offenbart hat. Ich glaube daran, dass uns im Heiligen Geist ein Begleiter zur Verfügung steht, der uns seine Hand reicht, die wir nur ergreifen müssen. Und ich glaube daran, dass Gott von jedem von uns, auch von mir, eine freie Entscheidung fordert, eine Entscheidung für oder gegen ihn – dazwischen gibt es nichts!


Eine Frage zum Schluß

Oben habe ich mit Begriffen wie Dogma und Katechismus um mich geworfen, das blenden wir jetzt einfach mal aus, genauso wie die ganze kirchliche Lehre. Ich möchte zum Schluß nur eine einzige Frage in den Raum werfen: Welcher Mensch kann mir garantieren, dass es keine Hölle gibt?

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e-mail: Ulrich Franzke <diakon@franzke-bochum.de>